In den Jahren 1899-1900 wurde am Ufer der Orlice, nahe der Mährischen Brücke (Moravský most) der städtische Schlachthof errichtet. Für die rasant wachsende Stadt wurde dieser bereits in den 1920ern zu klein, vor allem weil kein Gleisanschluss errichtet werden konnte. 1929 beschloss man den Bau eines modernen öffentlichen Zentralschlachthofs auf dem Gebiet der damals noch selbständigen Gemeinde Pražské Předměstí, und zwar in der Nähe des dortigen Schlachthofs, dessen Geschichte bis ins Jahr 1832 zurückreicht. Es handelte sich um die Gebäude mit den Konskriptionsnummern 244 und 505, deren gegenwärtige Form 1907 entworfen wurde. Das Projekt plante der städtische Baumeister Josef Vyleťal und die Bauarbeiten wurden von Josef Fňouk durchgeführt. Der neue Schlachthof umfasste drei Betriebsgebäude und ein Verwaltungsgebäude mit der Konskriptionsnummer 816.
Das Gelände des Schlachthofs ist durch seine Entstehungszeit relevant: die Errichtung eines Schlachthofs auf einer Freifläche stellte in der Tschechoslowakei der 1920er und 30er Jahre eine Ausnahme dar, denn die überwiegende Mehrheit der Schlachthöfe hat man um 1900 errichtet. Vergleichbare Schlachthöfe befanden sich in Tábor, Strakonice und Ústí nad Labem. Laut Michaela Ryšková vom staatlichen tschechischen Denkmalamt handelte es sich bei dem Projekt um einen umfassenden Komplex aus Betriebsgebäuden. Der Schlachthof sei „sehr interessant durch seine klare architektonische Gestaltung, die mit einer logischen und lesbaren Betriebsstruktur verbunden ist. Die Achsensymmetrie der Betriebsabläufe setzt sich in der Komposition der Massen und der Fassade fort und wird durch den Wasserturm akzentuiert.“
Das Wohnhaus (Konskriptionsnummer 816) konstruierte man als zweistöckiges, teilweise unterkellertes Gebäude mit Walmdach und einem Risalit mit Flachdach, in dem sich das Treppenhaus und der Haupteingang befinden. Es handelt sich um ein Haus aus Ziegelmauern und mit mäßiger Fassadenverzierung durch Gesimse und Halbsäulen. Das Haus verfügt über zahlreiche vier- und sechsteilige Holzfenster sowie einige kleinere ein- und zweiteilige Fenster. Interessant ist der Verwaltungstrakt im Erdgeschoss mit Büroräumen und einem Labor, das mit der nordwestlichen Seite des Objekts verbunden wurde. Ein markantes Element des Verwaltungstrakts ist die Säulenveranda mit separatem Eingang. Der Verwaltungstrakt wurde 1943 um einen weiteren Laborraum erweitert. Das Wohnhaus verfügte über drei Wohnungen: für den Maschinentechniker, den Schlachthofbetreiber und den Tierarzt. Dieser Aufteilung entspricht auch die Gliederung der Kellerräume. Im Erdgeschoss befanden sich ein Gang und je eine Wohnung für den Maschinentechniker und den Schlachthofbetreiber mit Vorzimmer, Bad, Toilette, Küche, Vorratskammer und Wohnzimmer, der Schlachthofbetreiber verfügte über ein weiteres Zimmer. Durch den Gang im Erdgeschoss gelangte man auch in dem Garten. Im ersten Stock befand sich die Wohnung des Tierarztes, die außerdem über eine Veranda, ein Kabinett und zwei weitere Zimmer verfügte. Im zweiten Stock gab es den Dachboden und eine Waschküche.
Bei dem Gebäude der Hauptschlachthalle, deren Wasserturm das Areal dominiert, handelt es sich um ein zweigeschossiges, teilweise unterkellertes Bauwerk in Stahlbetonbauweise mit Ziegelausfachungen, das von einem Flachdach mit Oberlichtern abgeschlossen wird. Ein markantes Element ist der überdachte Haupteingang, gestützt von zwei Stahlbetonträgern. Dieses Element wiederholt sich an der Südostseite des Gebäudes, wo sich eine Brückenwaage befindet. Nach Ansicht des Kunsthistorikers Jakub Potůček „ist die puristische Ästhetik [der Hauptschlachthalle] an die klassische Architektur angelehnt. Darauf deuten die Symmetrie und die Gesamtproportionen sowie der zentrale Eingang mit seiner vorspringenden Überdachung hin.“ Die Hauptschlachthalle wird durch eine Reihe von Metallfenstern und Oberlichtern erhellt, im Keller befand sich ein Pökelraum. Im Erdgeschoss dieses zentralen Gebäudes des Komplexes waren Betriebsräume: acht Schlachtstätten, Vorkühlräume, Kühlräume, ein Raum für die Brückenwaage sowie der Kesselraum, der Maschinenraum und Personalräume. Im ersten Stock waren Räumlichkeiten für weitere Schlachthofmaschinen (z. B. Lüftungsanlagen) untergebracht.
Die Ställe unterscheiden sich durch ihr Satteldach, das die Lagerung von Stroh als Einstreu ermöglichte, deutlich von den anderen Gebäuden des modernen Schlachthofkomplexes. Die verputzte Fassade war schlicht: Sie hatte nur geringe dekorative Elemente in Form von Gesimsen und verfügte über Fabrikfenster mit Metallrahmen. In den Ställen gab es zwei größere und mehrere kleinere Räume. So waren dort z. B. Notschlacht- und Kontumaz-Schlachtställe. Durch das Gebäude führte ein Gang für den Viehtrieb, der mit dem Gleis verbunden werden sollte, das in den Schlachthofbereich führte und den Transport der zu schlachtenden Tiere ermöglichte.
Das kleinere Gebäude der Kuttelei entspricht dem Stil der Hauptschlachthalle und des Wohnhauses. Der Verputz der Fassade ist identisch, die Fenster ebenfalls mit Metallrahmen. In diesem Gebäude wurden die Kuttelei, das Hautlager sowie eine Ein- und Ausgangsrampe eingerichtet.
Der Schlachthof wurde von der Stadt Hradec Králové und der Vereinigung der Metzger und Selcher (Společenstvo řezníků a uzenářů) errichtet, die sich das Eigentum zur Hälfte teilten. 1940 fiel die Stadt in den alleinigen Besitz der Stadt und es wurden größere bauliche Eingriffe vorgenommen: 1941 und 1942 wurden ein Versammlungssaal und Büroräumlichkeiten an das Haus Nr. 505 angebaut und es kam zu Umbauarbeiten an den Häusern 244 und 505. Markantere Eingriffe und Anbauten wurden erst nach 1945 vorgenommen, als die Verwaltung des Schlachthofs ein Ansuchen auf Renovierung und Austausch einzelner Geräte stellte. Man hat auch den Hof gepflastert und die Dächer der meisten Gebäude ausgetauscht. 1960 wurde im Rahmen der Auflösung des Fleisch-Kombinats in Březhrad auch der Betrieb dieses Schlachthofes in Hradec Králové eingestellt und das Areal wurde bis 1993 nur mehr für Notschlachtungen und zu Lagerzwecken genutzt. In den 1960er Jahren wurden auch die Hauptschlachthalle und die Ställe umgebaut. Seit den 1990er Jahren wird das Gelände von einer Firma genutzt, die mit Baumaterialien handelt.
Der Gebäudekomplex befindet sich in schlechtem Zustand, dennoch sind viele ursprüngliche architektonische Elemente erhalten geblieben, darunter die massive Eingangstür aus Metall, Fenster mit Oberlichtern, historische Geräte oder der Vorkühlraum für Pferdefleisch inklusive technischer Ausstattung, der sich im Originalzustand befindet. Das Wohnhaus (Nr. 816) hat man am stärksten umgebaut: die Fenster wurden gegen Plastikfenster ausgetauscht und einige Fensteröffnungen zugemauert. Die ursprünglich offene Veranda im Bürotrakt des Wohnhauses wurde ebenfalls zugemauert und mit Wärmeschutz versehen. Der neue Verputz unterscheidet sich farblich von der Villa und den meisten anderen Objekten. Der Verwaltungstrakt des Gebäudes wirkt wie ein Fremdkörper. 2022 wurde eine Petition gestartet, bei der sich mehr als 200 Unterstützerinnen und Unterstützer gegen einen Abriss des Gebäudekomplexes aussprachen. Die Petition fordert neben dem Erhalt die Nutzung des Gebäudekomplexes zu anderen, z. B. kulturellen Zwecken. Im Anschluss an die Petition verpflichtete sich die Stadt Hradec Králové, den modernistischen Schlachthofkomplex zu erhalten, und der Plan zur Umgestaltung wurde auch in die Programmerklärung des Stadtrats von Hradec Králové aufgenommen.
KK
Kein Denkmalschutz verzeichnet.
- Státní okresní archiv Hradec Králové, fond Archiv města Hradce Králové, inv. č. 525, kn. 236
- Státní okresní archiv Hradec Králové, fond Archiv města Hradce Králové, inv. č. 526, kn. 237
- Státní okresní archiv Hradec Králové, fond Archiv města Hradce Králové, inv. č. 5108, fascikl 10
- Státní okresní archiv Hradec Králové, fond Archiv města Hradce Králové, inv. č. 5141, fascikl 17
- Státní okresní archiv Hradec Králové, fond Berní správa Hradce Králové – Pražské Předměstí, č. p. 816
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DIVIŠOVÁ, Jaroslava (red.). Encyklopedie města Hradce Králové N–Z. Hradec Králové: 2011, s. 469.
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Kol. aut. Hradec Králové a okolí. Hradec Králové: 1932, s. 67.
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BERAN, Lukáš Beran, VALCHÁŘOVÁ, Vladislava, ZIKMUND, Jan et al. Industriální topografie / Královéhradecký kraj. Praha: 2012.