Diese Sokol-Turnhalle aus dem Jahr 1883 gehört zu ersten Bauten dieser Art. Sie wurde an die Bedürfnisse des Sokol-Turnerbundes angepasst. In den ersten Jahren ihres Bestehens nutzte die Organisation oft vorübergehend Säle und Einrichtungen, die anderen Zwecken dienten, oder mietete sich Mehrzweckräumlichkeiten an. Die erste eigenständige Sokol-Turnhalle befand sich in Prag, in der Neustadt (Nové Město), und wurde nach Plänen des Architekten Vojtěch Ignác Ullmann im Jahr 1863 errichtet. Sie sollte das Ideal des Ästhetikers und Sokol-Gründers Miroslav Tyrš repräsentieren. Der Neorenaissance-Stil verwies auf die antike Idee der „Kalokagathia“, der Einheit von Körper und Geist. Miroslav Tyrš sah – ganz im Geist seiner Zeitgenossen – in der Renaissance auch ein Manifest der Emanzipation der tschechischen Nation. Ein Jahr vor dem Bau der Sokol-Turnhalle in Hradec Králové schrieb er: „Wenn die Franzosen und die Deutschen ihre Renaissance pflegen, sollten wir die tschechische Renaissance nicht vergessen.“ Dem entsprachen auch die ersten Sokol-Turnhallen auf böhmischem Gebiet: in Kutná Hora (1885), Prag-Karlín (1886), Chrudim und Dvůr Králové (1898).
Es ist daher sehr verwunderlich, dass die Sokol-Turnhalle in Hradec Králové, errichtet auf einer Erhebung im nordöstlichen Teil der Altstadt, nicht im Stil der Neorenaissance realisiert wurde, obwohl es der Sokol-Kanon es eigentlich vorsah. Wie man aus dem erhaltenen Torso und aus den Entwürfen entnehmen kann, wurden für die Sokol-Turnhalle in Hradec Králové Neorenaissance- und Neobarock-Elemente kombiniert. Diese waren typisch für christliche Bauvorhaben. Christliche Werte und „christliches Rittertum“ waren Teil des Wertesystems der Sokol-Bewegung, die auch der Politiker František Ladislav Rieger betonte.
Die Sokol-Turnhalle in Hradec Králové war ein zweigeschossiges Bauwerk mit niedrigem Satteldach. Das Gebäude stand auf unebener Fläche: an der Westfassade im Erdgeschoss befand sich eine Tür zum Gerätehaus und zur Garage für Feuerwehrfahrzeuge, die mit dem Turnsaal verbunden war. Im östlichen Teil des Gebäudes befand sich ein Feuerwehrturm. Die Turnhalle war über das erste Obergeschoss an der fensterlosen Fassade der Nordseite zugänglich. Hinter dem Eingang befand sich eine Treppe ins Erdgeschoss und eine Treppe zu einem erhöhten Bereich, in dem sich eine Einzimmerwohnung mit Küche und Trockentoilette, eine Garderobe, eine Herrentoilette mit Pissoir und Trockentoilette und eine Damentoilette, die mit einem Wasseranschluss versehen war. Daran anschließend befand sich eine Galerie rund um den Turnsaal, in der auch ein Fechtsaal untergebracht war. Am Ende des Saals befanden sich der Sockel des Schlauchturms der Feuerwehr und zwei Treppenschächte, einer mit halbkreisförmigem Grundriss, der andere mit rechteckigem Grundriss.
Die meisten Aktivitäten des Turnerbunds fanden ab 1930 in der neuen Sokol-Turnhalle statt, die von Milan Babuška entworfen wurde. Die Turnhalle in der Altstadt wurde nur gelegentlich als Mehrzweck-Saal genutzt, und verfiel langsam. Auf einer Luftbildaufnahme aus dem Jahr 1997 ist sie noch mitsamt dem Dach abgebildet, auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2005 sind nur mehr die Mauern zu sehen, die langsam verfallen. Erhalten ist nur das Portal mit Volutengiebel und einem für spätbarocke Architektur typischen Fenster, dem sog. „Ochsenauge“.
Die alte Sokol-Turnhalle war ein einzigartiges Denkmal, da sie eine der ersten ihrer Art im ländlichen Gebiet darstellte. Es handelte sich um die erste Sokol-Turnhalle, die nicht im Stil der Neorenaissance errichtet wurde und mehrere architektonische Stile verbindet.
LZL
Denkmalschutz
Die alte Sokol-Turnhalle befindet sich im denkmalgeschützten Teil der Stadt Hradec Králové.
Quellen
- Státní okresní archiv Hradec Králové, archiv Městský úřad, F6, inv. č. 5053, plán staré sokolovny Otromapy Hradce Králové, http://mapserver.mmhk.cz/
Literatur
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ŠVÁCHA, Rostislav (ed.). Naprej!: česká sportovní architektura 1567–2012. Praha: Prostor - architektura, interiér, design, 2012.