Im Jahr 1910 schreib die Allgemeine Kreditanstalt (Všeobecný úvěrní ústav), neue Eigentümerin der sog. Cavais-Häuser zwischen Klicperova ulice und Úzká ulice einen Wettbewerb für ein neues Gebäude aus. Den Wettbewerb, in dessen Jury neben Baumeistern und Bauingenieuren aus Hradec Králové auch Kamil Hilbert und Alois Čenský waren, gewann Viktorin Šulc mit einem sehr konservativem Projekt. Die alten Häuser hat man im August 1910 abgerissen, mit den Bauarbeiten wurde allerdings nicht begonnen. Šulc‘ Projekt wurde aufgrund Unzulänglichkeiten in der Disposition kritisiert: „enge Foyers, enge Vorhalle für die Kundschaft […], nicht genügend Räumlichkeiten für das Personal des Kaffeehauses […], an der Frontseite wäre mehr Ordnung in der Gestaltung der Dachkontur wünschenswert.“ Gemäß der lokalen Presse verteidigte der Architekt sein Projekt: „der Stil des Gebäudes [wurde] in Rücksicht auf den Charakter der Stadt gewählt.“ Der Neorenaissance-Stil war für den Platz nicht stilgerecht, wie Pavel Janák in einem Brief an Bürgermeister František Ulrich schrieb, in dem er gegen die Erhöhung der Nordseite durch das Projekt des Špalek-Hauses und das Palais des Allgemeinen Geldinstituts (Všeobecný penzijní ústav) protestierte. Weitaus stärke wurde das Bauprogramm kritisiert, das eine unverhältnismäßig große Baumasse vorsah.
Noch im Jahr 1910 veröffentlichte Ješek Hofmann, prominentes Mitglied im Klub Za starou Prahu (Club für das alte Prag), der sich dem Denkmalschutz widmet, in der von Zdeněk Wirth redigierten gleichnamigen Klubzeitschrift einen Text mit scharfem Urteil. Er führte an, dass die horizontale Linie der einzelnen Fassaden auf dem historischem Platz bereits durch das Haus U Beránka von Rudolf Němec im Stil des Neobarock und zwei Häuser im Stil der Neorenaissance von Václav Rejchl sen. und Robert Schmidt (Konskriptionsnummern 150-152) gestört wurden. „Das zuletzt abgebrannte Haus von Špalek und der nebenan liegende Block mit den Häusern der Familie Cavais sollen sogar durch vierstöckige Häuser ersetzt werden“, ärgert sich Hofman. „Die Nordseite des Platzes wird ihre einheitliche Höhe völlig verlieren, und das Verhältnis zwischen der Breite des Platzes und den Mauern geht verloren – der Platz wird aufhören zu existieren“, heißt es weiter. Ende 1910 kaufte jedoch ein neuer Investor das Grundstück mitsamt dem Plan und es wurde ein engerer Wettbewerb ausgeschrieben, zu dem Osvald Polívka, Oldřich Liska und Josef Novotný eingeladen wurden (offenbar aufgrund ihrer positiven Erfahrungen mit der Modifizierung des Projekts von Šulc). Kotěra bekundete daraufhin sein Interesse an einer Teilnahme an dem Wettbewerb, was ihm Bürgermeister František Ulrich ermöglichte.
Kotěra war den Meinungen des Klub Za starou Prahu zugeneigt und hatte auch wegen früherer Skandale nicht viel Spielraum. Der Verein forderte, dass der Neubau der Reservekreditanstalt an den Laubengang anschloss, was Kotěra einzuhalten versuchte, indem er einen vorgesetzten Portikus plante, über dem sich ein Risalit mit Sitzungsraum befand. Das Programm war gegenüber den im Wettbewerb vorgeschriebenen Inhalten deutlich reduzierter. Kotěras Entwurf sah Geschäftslokale und Schalter der Bank für die Seite des belebten Platzes vor, an der ruhigeren Seite zur Tomkova ulice sollten Wohnungen entstehen: zwei größere Wohnungen im ersten Stock und drei kleinere im zweiten Stock. Beide Teile waren streng voneinander getrennt, es war auch keine Verbindung zwischen einer Dienstwohnungen und den Räumlichkeiten des Geldinstituts vorgesehen. In der Mitte des Gebäudes sollte es Dachflächenfenster geben, der das Tageslicht durch eine gläserne Decke in die Halle der Bank fallen sollte. Im Souterrain waren eine Vinothek und Lager der Geschäftslokale vorgesehen. Das Erdgeschoss umfasste an der Seite zum Platz ein Archiv, eine Wechselstube und einen Tresor in der Mitte unter der Halle. Der Rest der Fläche sollte von sieben Geschäftslokalen und einem Delikatessenladen eingenommen werden. Ein alternativer Entwurf umfasste ein kleineres Archiv und einen Tresor und enthielt noch ein weiteres Geschäftslokal. Im Obergeschoss waren in den Räumlichkeiten entlang der Halle Schalter vorgesehen, im vorderen Trakt zum Platz hin die Direktion und ein Risalit mit Sitzungsraum oberhalb des Laubengangs, im zweiten Obergeschoss kleinere Büros.
Kotěra bemühte sich um eine moderne, dem Denkmalschutz entsprechende Lösung. Die Fassade des Objekts verweist auf Bemühungen, ein einzigartiges und repräsentatives Gebäude zu entwerfen, das auf die darin untergebrachte öffentliche Institution verweist, und zugleich mit den Fassaden der umliegenden historischen Gebäude im Einklang steht. Kotěra wurde sich hier vermutlich erstmals bewusst, dass sich die von den Modernisten proklamierte Negierung für gewisse Milieus und insbesondere für ein denkmalgeschütztes Umfeld nicht eignet, und es nötig ist, einen kompositorischen Zugang sowie Formen zu verwenden, die gemeinsam mit dem historischen Kontext ein harmonisches Ganzes bilden. Einige erhaltene Zeichnungen zum Wettbewerbsentwurf für die Reservekreditanstalt zeugen von einem einzigartigen Zugang Kotěras in Hradec Králové. Bevor der Architekt mit den Entwürfen begann, fertigte er detaillierte Zeichnungen der Fassaden von allen Häusern auf dem Platz an. Eine derartige Analyse zur Vorbereitung, die als Basis für einen den Denkmalschutz entsprechenden Entwurf gilt, kann als Methode der Denkmalanalyse betrachtet werden, basierend auf der von Zdeněk Wirth entwickelten wissenschaftlichen Denkmalpflege. Wirth und Kotěra kannten sich und waren aufgrund ihrer Zusammenarbeit bei der Gründung der Zeitschrift Styl wahrscheinlich auch befreundet.
Polívkas konservativer und im Grunde monumentalerer Entwurf erhielt den Vorzug gegenüber Kotěras Projekt, welches nach Marcel Pencák „empathisch komponiert, aber zugleich originell“ ausfiel. Am 24. April 1911 genehmigte der Stadtrat das Projekt für ein dreigeschossiges Gebäude, das allerdings durch den Mezzanin und den das Dach und die Attika überragenden Risalit an der Ecke sogar höher ausfiel als das umstrittene Kaufhaus von Václav Špalka.
LZL
Denkmalschutz
Das Projekt wurde nicht realisiert.
Quellen
- Archiv architektury a stavitelství, Národní technické muzeum, fond č. 21 Jan Kotěra, Plánová dokumentace k Záložnímu úvěrnímu ústavu, únor 1911
- Muzeum východních Čech, fond Františka Ulricha, Dopis Jana Kotěry Františku Ulrichovi, 15. 12. 1910
- Muzeum východních Čech, fond Františka Ulricha, Dopis Jana Kotěry Františku Ulrichovi, 16. 1. 1911
Literatur
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Marcel Pencák, Hradecký architekt: Vladimír Fultner ve spleti české moderny. Brno 2013
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Ladislav Zikmund-Lender; Jiří Zikmund (eds.), Budova muzea v Hradci Králové: 1909–1913: Jan Kotěra, Hradec Králové 2013
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Ladislav Zikmund-Lender, Jan Kotěra v Hradci, Hradec Králové, 2016
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Ladislav Zikmund-Lender, Struktura města v zeleni: Moderní architektura v Hradci Králové, Hradec Králové 2017