Im Jahr 1922 war Pražské Předměstí noch eine eigenständige Gemeinde (sie wurde erst 1947 nach Hradec Králové eingemeindet). Dennoch waren die rasche Entwicklung und das starke Wachstum von Hradec Králové unübersehbar, und so wurde relativ bald ein Regulierungsplan für Pražské Předměstí erstellt (Oldřich Liska, 1912; Viktor Lehovec, 1913), der sowohl die Entwicklung von Hradec Králové in Richtung Pražské Předměstí als auch moderne Anforderungen an Gesundheit, Kommunikation usw. berücksichtigte. Die Bebauung des Stadtviertels verlief schließlich nach dem Regulierungsplan des Architekten Oldřich Liska. Im Jahr 1914 hatte das Dorf bereits benannte Straßen, die sich langsam aus vereinzelt stehenden Häusern gebildet hatten. Die Dukelská třída (damals Husova) bildete zusammen mit der Machova-Straße die wichtigste Straße des Dorfes – beide waren eine direkte Fortsetzung der Karlova třída, die ins Zentrum führte, und verbanden die Stadt mit dem Bahnhof.
Im Dezember 1922 erhielt der Zahntechniker Richard Němec die Baugenehmigung für das Haus mit der Konskriptionsnummer 477 in der Husova třída (heute Dukelská), dessen Errichtung bis November des darauffolgenden Jahres dauerte. Richard Němec wurde am 8. November 1925 zum Vorstand der Zahntechnikervereinigung gewählt, und so fand noch im selben Jahr die Generalversammlung der Vereinigung in seinem neuen Haus statt. Seit 1931 ist das Haus in Besitz von Anna Němcová.
Entworfen und realisiert wurde das Gebäude wurde von der örtlichen Baufirma Václav und František Capoušek, die später auch die nahe gelegene Herz-Jesu-Kirche am Náměstí 28. října errichtete. Die erhaltenen Pläne des oben genannten Bauunternehmens stammen aus dem Jahr 1922 und zeigen, dass sich das Gebäude gegenwärtig in sehr gutem Zustand befindet. Es handelt sich um ein dreistöckiges Haus mit drei Wohnungen (jede mit einer Fläche von etwa 100 m2). Jede Wohnung besteht aus drei Zimmern mit Fenstern zur Hauptstraße; Vorzimmer, Küche und Bad liegen hofseitig. Laut Protokoll aus dem Jahr 1923 befinden sich im Untergeschoss Kellerräume und im Erdgeschoss ein Laden mit Zimmer, Küche und Zubehör. Nach den vorliegenden Informationen hat sich die Raumaufteilung des Hauses bisher nicht verändert.
Die hintere Fassade mit runder Balkonnische entspricht bis heute den ursprünglichen Entwürfen. Die vordere Fassade wurde umgestaltet. Auffällig an dem Haus in der Dukelská třída sind Verzierungen, die dem modernen Trend des nationalen Dekorativismus bzw. dem sog. Bogenstil entspricht, der sich nach dem Ersten Weltkrieg durchgesetzt hat und die Widerbelebung des kristallinen Dekor des Kubismus anstrebt. Josef Gočár brachte diesen Ansatz nach Hradec Králové und verwendete ihn, wenn auch in gemäßigterer Form, beim Bau der Anglobank am Ulrichsplatz. In Hradec Králové gibt es viele Häuser mit dekorativen Fassaden aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre, zum Beispiel das Nachbarhaus Nr. 479 auf der Dukelská třída. Offensichtlich wurde die Fassade des Hauses in der Dukelská třída 477 allerdings stärker von dem zwischen 1921 und 1923 errichteten Gebäude der Prager Legiobank inspiriert (Na Poříčí 1046/24, Architekt: Josef Gočár). Dies äußert sich in der Bogenverzierung auf dem Kranzgesims oder dem Motiv der modernen Pilaster mit kubischen Endstücken zwischen den Fenstern. Die endgültige Gestaltung der Fassade entspricht jedoch nicht dem ursprünglichen Entwurf der erhaltenen Pläne, der eher in Richtung Neorenaissance tendiert. Fotografien aus dem Jahr 1925 zeigen, dass der Dekor dem gegenwärtigen Zustand entspricht, und Aufzeichnungen über eine Umgestaltung sind nicht bekannt.
Eine der ersten öffentlichen Erwähnungen des Hauses in der Dukelská ist auf 6. Juni 1924 datiert, als in der Zeitschrift „Rozhledy“ eine Anzeige für eine Knopffabrik erschien. Die Kellerräumlichkeiten des Hauses hat Richard Němec offenbar der Firma von Josef Navrátil übergeben, die diese als Lager nutzte. Laut der Zeitschrift „Rozhledy“ aus dem Jahr 1931 hat man Richard Němec nicht genehmigt, eine Wohnung im Keller einzurichten, und im selben Jahr wurde einer gewissen Frau Šimunka gestattet, Schaufenster in der Liegenschaft einzurichten. Im Jahr 1968 wurde das Erdgeschoss des Hauses von einem Hutgeschäft erworben, das den Umbau der Räumlichkeiten und insbesondere die Neugestaltung des Eingangs ins Geschäft und den Wohnteil des Hauses veranlasste. Die Änderungen wurden von Miroslav Hofmann entworfen.
Im Jahr 1994 wurde JUDr. Ladislav Polák durch den damaligen Eigentümer André Němec zum Verwalter des Hauses ernannt. Bei der Restitution in Hradec Králové (ab 1991) kam es, wie bei vielen anderen Gebäuden auch, dazu, dass die Eigentümer nicht in der Lage waren, sich um die Immobilie zu kümmern. Dies hatte meist finanzielle Gründen oder es war damit verbunden, dass die Eigentümer ins Ausland emigriert waren. Bis 2001 kümmerte sich niemand um das Haus Nr. 477, schließlich wurde es von Ladislav Polák erworben. So konnte 2003 damit begonnen werden, das bis dahin vernachlässigte Haus schrittweise zu renovieren. Obwohl das Gebäude nicht unter Denkmalschutz stand (und auch heute nicht denkmalgeschützt ist), wurde bei den modernen Renovierungsarbeiten versucht, das ursprüngliche Aussehen der beschädigten Dächer, Schornsteine, Fenster, Schaufenster und der Fassade zu erhalten. Dadurch ist das charakteristische bogenförmige Design noch immer erkennbar. Heute erfüllt das Mietshaus seine ursprüngliche Funktion: es fungiert Wohnhaus mit Geschäftsräumlichkeiten im Erdgeschoss.
Kristýna Krejčová