Hradec Králové und seine Vorstädte waren nach 1918 darum bemüht, die Wohnungsnot durch eigene Gemeindebauten in Form von kleinen Arbeiterhäusern zu lösen. Die meisten Gebäude im Stadtzentrum verfügten über moderne Wohnstandards: ein eigenes Badezimmer oder zumindest eine eigene Toilette, eine Speisekammer usw. In den Vororten gelang es aber nicht immer, diese Standards zu erfüllen, denn dort musste man Wohnraum für viele Arbeiter und ärmere Angestellte schaffen. Beispiele hierfür sind die Gemeinden Kukleny und Pražské Předměstí, die sich zu Industrievierteln entwickelten. In Pražské Předměstí beteiligten sich bis in die 1930er Jahre vor allem die Architekten und Bauingenieure Josef Mudra, Antonín Slejška oder Josef Stejskal an der Errichtung von Wohnungen.
Ein Beispiel für ein solches Wohnhaus, mit dem die Wohnungsnot gelöst werden sollte, zugleich aber keine luxuriösen, modernen Wohnmöglichkeit bat, ist eines der ersten Gemeinde-Wohnhäuser, das in der Nerudova und Horova ulice gebaut wurde. Die Pläne für das einstöckige, unterkellerte Wohnhaus in Pražske Předměstí stammen von Josef Mudra und sind mit 5. Juli 1924 datiert. Eine Woche später, am 12. Juli 1924 wurden die Pläne dem Stadtrat zur Genehmigung vorgelegt. In der Dokumentation wird hervorgehoben, dass es sich um ein Gemeinde-Mietshaus „mit kleinen Wohnungen“ handelt. Im straßenseitigen Teil war das Haus unterkellert, es befanden sich dort zwölf Kellerabteile. Der Grundriss des Hauses wurde symmetrisch angelegt, in der Mittelachse befanden sich der Eingang sowie das hofseitig gelegene Treppenhaus. Links und rechts der Symmetrieachse befanden sich je vier Ein-Zimmer-Wohnungen, am Gang lagen immer zwei Toiletten. Die zwei größeren Ein-Zimmer-Wohnungen lagen straßenseitig, die zwei kleineren hofseitig. Im ersten Stock gab es auf jeder Seite zwei Zwei-Zimmer-Wohnungen, in der Mitte eine Ein-Zimmer-Wohnung. Keine dieser Wohnungen verfügte über ein Badezimmer oder eine selbständige Toilette, je zwei Wohnungen teilten sich ein Vorzimmer mit Toilette. Das Dachgeschoss war im hofseitigen Trakt bewohnt, das Pultdach fiel straßenseitig ab. Im Dachgeschoss befanden sich zwei Zwei-Zimmer-Wohnungen, die am besten ausgestattet waren: jede der Wohnungen hatte eine Speisekammer und eine eigene Toilette.
Jaroslav Mudra entwarf in der ersten Hälfte der 1920er Jahre Reihen- und Mietshäuser mit einer reichhaltigen dekorativen Verzierung. Er verwendete dekorative Reliefs, profilierte Gesimse und Rundbogenformen, die auch bei der Notunterkunft in Pražské Předměstí zu finden ist. Im ersten Stock werden die Flächen am Rand und die Achsen der vier Fenster von Lisenenrahmen unterteilt, und gleich mehrere Gesimse trennen das Erdgeschoss vom ersten Stock. Zwischen den Fenstern im ersten Stock befinden sich sechs dekorative Felder mit Sgraffito-Verzierung: In den vier länglichen Feldern sind je zwei Füllhörner abgebildet, in den kleineren zwei Feldern je eines. Das Kranzgesims wird von dekorativen, klassisch geformten Metopen gestützt. Das Dach ist von drei Dachfenstern durchbrochen, die von einem markanten Bogen abgeschlossen werden.
Im Jahr 1940 entwarf Antonín Slejška eine Erweiterung für das Haus, es sollte ein zusätzliches Stockwerk und ein neues Dachgeschoss erhalten, wodurch das Haus zwei Zwei-Zimmer-Wohnungen mit Badezimmer und fünf Ein-Zimmer-Wohnungen, jedoch wurde hinsichtlich des beginnenden Zweiten Weltkriegs von der baulichen Erweiterung abgesehen.
Das Wohnhaus ist ein einzigartiges Beispiel für Wohnbauten in der Vorstadt ohne Standards der Großstadt. Dennoch waren die Architekten bemüht darum, das Gebäude so zweckdienlich wie möglich zu errichten, um so vielen Bewohnerinnen und Bewohnern wie möglich würdevolles Wohnen zur Verfügung zu stellen, und auch so dekorativ wie möglich, um diesen Architekturstil auch den ärmeren Schichten der Bevölkerung zugänglich zu machen.
LZL
Denkmalschutz
Kein Denkmalschutz verzeichnet.
Quellen
- Státní okresní archiv v Hradci Králové, Archiv města Pražské Předměstí, fond archiv obecního úřadu, inv. č. 167