Das großzügig angelegte Genossenschafts-Wohnhaus am ehemaligen Legerovo náměstí (heute Baťkovo náměstí) wird von Architekturhistoriker Pavel Panoch irrtümlicherweise dem Architekten Oldřich Liska zugeschrieben, obwohl keine Belege dafür vorliegen. Aus Liskas Nachlass, der im Ostböhmischen Museum aufbewahrt wird, geht hervor, dass er das Projekt nicht entworfen hatte. Die Pläne sind mit dem Stempel des Unternehmens Společnost stavitelů versehen, in dem sich kurz nach dem Ersten Weltkrieg einige bedeutende Architekten und Baumeister versammelten, außerdem findet man auf den Plänen auch die Unterschriften von Josef Jihlavec, dem Vorsitzenden des Unternehmens, und Josef Novotný. Josef Jihlavec projektierte für gewöhnlich keine eigenen Bauwerke, Josef Novotný hingegen schon (vor dem Ersten Weltkrieg), daher ist es wahrscheinlich, dass er der Autor des Entwurfs ist. Möglich ist auch, dass der Bauingenieur Bohuslav Vaniš die Fassade gestaltete, ebenfalls Mitglied der Společnost stavitelů, da er einige Mietshäuser in der Umgebung errichtete, die eine ganz ähnliche Fassade aufweisen (Mánesova 646 oder Dukelská 471). Ein beachtenswertes Detail des Verfahrens ist eine Bemerkung in der Baugenehmigung: „Der Entwurf der Fassade wird nicht genehmig; für die Fassade muss ein neues Projekt vorgelegt werden.“ Möglicherweise wurden der Grundriss und die Fassade separat und nacheinander von zwei unterschiedlichen Architekten bzw. Bauingenieuren gestaltet, was damals gar nichts Ungewöhnliches war.
Die Pläne sind auf April 1921 datiert, mit dem Bau hat man am 30. Juni 1921 begonnen; er wurde am 1. Juni 1923 fertiggestellt. Die Baugenehmigung wurde am 7. August ausgestellt. Die Dokumentation der Funktion der Räumlichkeiten sowie deren Maße, die man zur Berechnung des Budgets vornahm, ist auf 27. Dezember 1923 datiert.
Unter allen Mietshäusern, die in der ersten Hälfte der 1920er Jahre in Hradec Králové realisiert wurden, ist die Fassade dieses Gebäudes am klassischsten gestaltet. Ein ungewohntes Element sind die hohen, monumentalen Säulen, die sich über die Fassade des Erdgeschosse und des ersten Stocks erstrecken. Ein Gesims teilt die Fassade zwischen erstem und zweiten Stockwerk und die Fassade des zweiten und dritten Stockwerks wird von Lisenen gegliedert. Die Fassade wird von einem klassisch gegliederten Kranzgesims mit Metopen abgeschlossen. Der Risalit an der Ecke überragt das Haus um ein Stockwerk. Er wird ebenfalls von einem Kranzgesims abgeschlossen, über dem sich noch ein Aufsatz mit runden Öffnungen befindet.
Im Souterrain befanden sich sechs geräumige Kellerabteile und zwei Werkstätten sowie eine Wohnung, deren Fenster auf den tiefer gelegenen Hof gerichtet waren. Die Wohnung im Souterrain verfügte über ein Zimmer, eine Küche, eine Toilette und eine Speisekammer. An der Mauer im Hof befanden sich elf kleine Holzschuppen. Im Erdgeschoss befanden sich elf Geschäftslokale, die zum Platz bzw. der Mánesova ulice gerichtet waren; einige davon hatten Lager bzw. einen Arbeitsraum. Im Eckteil sowie dem benachbarten, zur Mánesova gerichteten Laden befand sich die Bäckerei von Ladislav Duran mit einem Arbeitsraum und eingebautem Ofen. Im hofseitigen Teil des straßenseitigen Traktes befand sich an einen Laden angeschlossen eine Wohnung mit Zimmer, Küche, Wohnzimmer und Toilette. Wohnung und Laden wurden durch den Büchsenmacher Holeček genutzt. Außerdem befanden sich in dem Haus Läden mit Lederwaren sowie Schneiderei- und Nähzubehör und ein Konfektionsgeschäft. Der Archivdokumentation zufolge wohnten die meisten Geschäftsleute und Handwerker auch in dem Haus. Das Haus hatte zwei Treppenhäuser und zwei Eingänge, einen aus der Čelakovského ulice, einen aus der Mánesova. Im ersten bis zum dritten Stock befanden sich jeweils vier Zwei-Zimmer-Wohnungen mit Küche, Badezimmer, Speisekammer und Toilette, und eine Drei-Zimmer-Wohnung im Trakt an der Ecke. Eines der Zimmer dieser Wohnung diente als „Junggesellenzimmer“, es verfügte über eine separate Eingangstür aus dem Vorzimmer. Der einzige Unterschied zwischen den einzelnen Stockwerken ist der Balkon der Wohnung an der Ecke im zweiten Stockwerk. Im Dachgeschoss war die Raumaufteilung untypisch. Im straßenseitigen Trakt befand sich ein Dachboden mit neun kleinen Lagerräumen, die nur durch Trennwände voneinander unterteilt waren. Hofseitig befand sich eine Ein-Zimmer-Wohnung. Im Risalit an der Ecke gab es eine Wohnung mit Zimmer und Küche, hofseitig lag eine gemeinsam genutzte Waschküche. Im Trakt zur Čelakovského ulice lagen drei weitere Lagerräume und hofseitig zwei Wohnungen: eine Ein-Zimmer-Wohnung mit Küche und eine Garconniere. Außerdem befand sich hier eine weitere gemeinsam genutzte Waschküche.
Obwohl das die Wohnungsgenossenschaft Pokrok zunächst vor allem kleine Textilhandwerker und -händler vereinte, hatten kurze Zeit später weitere bedeutende Firmen ihren Sitz in dem Haus. In der Publikation Hradec Králové im Jahr 1925 des Prager Verlags von Karel Říha heißt es: „In diesem Haus befinden sich die Firma Ladislav Duran, Alois Boháč, Antonín Pecka, der Bauingenieure F. J. Čern und Ing. B. Vaniš sowie J. Holeček.“
Die Realisierung des Mietshauses durch die Genossenschaft Pokrok ist ein einzigartiges Beispiel des modernen klassischen Monumentalismus, realisiert in Blockbebauung. Für die damalige Zeit bot das Haus sehr komfortable Wohnstandards. Jede Wohnung verfügte über ein Badezimmer, die Zimmer waren groß und hell.
LZL
Denkmalschutz
Das Wohnhaus der Genossenschaft Pokrok befindet sich im denkmalgeschützten Teil der Stadt Hradec Králové.
Quellen
- Státní okresní archiv v Hradci Králové, Archiv města Hradec Králové, fond Berní správa, dokumentace k čp. 609
Literatur
-
Karel Říha, Hradec Králové v roce 1925, Praha 1925
-
Pavel Panoch, Hradec Králové. Průvodce po architektonických památkách od středověku do současnosti, Praha 2015, s. 193
-
Matěj Bekera, Architekt Oldřich Liska a jeho působení v královéhradeckých projekčních kancelářích, diplomová práce, Filozofická fakulta Univerzity Hradec Králové, Hradec Králové 2017, s. 40‒41