Auf einem nierenförmigen Gebiet, das vom linken Ufer der Orlice und der zweiten Ringstraße südlich des historischen Stadtzentrums abgegrenzt wird, befinden sich heute vor allem Bildungseinrichtungen (der Universitätscampus, Wohnheime für Studierende, die Pharmazeutische Fakultät der Karlsuniversität und eine Höhere Lehranstalt für künstlerische Gestaltung). Nach den Vorstellungen der Architekten der Vorkriegszeit hätte es eigentlich zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden sollen. Diese waren sich bewusst, dass es sich um das größte bisher nicht urbanisierte Gebiet in unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums handelt und dass seine einheitliche Regulierung grundlegende äußerst wichtig war. Allerdings wurde das Gebiet über das 20. Jahrhundert hinweg etappenweise bebaut. Am gelungensten ist wohl sein Mittelteil; dort wurden zwischen den 1960er und den 1980er Jahren verschiedene Bildungseinrichtungen nach einem Entwurf von Karl Schmied sen. gebaut.
Im Wettbewerb zur Regulierung der Stadt (1908–1909) findet man unterschiedliche Zugänge für die Bebauung des Gebiets. Im Entwurf von Oldřich Liska und Otakar Klumpar waren im südwestlichen Teil des Gebiets selbständige Einfamilienhäuser sowie Doppelhäuser geplant, im restlichen Teil Mietshäuser in Blockbebauung mit gemeinschaftlich genutzten Gärten in den Innenhöfen. Liska konzipierte das Gebiet als „Arbeiterstadt“ für die Arbeiterinnen und Arbeiter der Fabriken von Hradec Králové. Das Gebiet hätte drei Zentren haben sollen: ein Arbeiterhaus, eine Kirche und ein nicht näher bestimmtes öffentliches Gebäude. Vladimir Zákrejs, Josef Šejna und Václav Rejchl jun. hatten andere Vorstellungen: Ihnen zufolge hätte hier ein Stadtteil mit Messegelände und Mietshäusern in Blockbebauung entstehen sollen. Im westlichen Teil waren ein zentraler Stadtplatz und öffentliche Gebäude vorgesehen, in der Mitte einen Park und einen Sportplatz und im östlichen Zipfel das Messegelände (dort, wo sich heute das Sportstadion befindet) und sechs unregelmäßige Wohnblöcke. Ein anonym eingereichter Entwurf mit dem Kennwort „Sion“ sah vor, das Gebiet mit einem regelmäßigen Netz von Wohnblöcken zu bebauen, mit diagonalen Plätzen an den Straßenkreuzungen – ähnlich wie Ildefons Cerdà in den 1860er Jahren für Barcelona vorgeschlagen hatte.
Da keiner der Entwürfe realisiert wurde, nahm sich Josef Gočár der Konzipierung des Gebiets an. Zwischen 1925 und 1931, als Gočár in der Raumplanung für Hradec Králové tätig war, änderte sich seine Meinung über den Charakter des Ortes nur unmerklich. In einem der ersten Entwürfe, die man auf 1925 oder 1926 datieren kann, plante Gočár einen Komplex für einen Kindergarten und Schulen an der Stelle des ehemaligen städtischen Schlachthauses gegenüber der bereits errichteten Schule für Gerberei am linken Ufer der Orlice. Bald sah er von diesen Plänen ab, und der Bildungseinrichtungskomplex wurde am rechten Elbeufer gebaut. Dennoch war Gočár sicher, dass gegenüber der Gerbereischule ein nicht näher bestimmtes öffentliches Gebäude stehen sollte – am ehesten auch eine Schule, mit atypischem, dreiflügeligem Grundriss in Form eines halboffenen Dreiecks. Im Unterschied zu allen vorhergehenden Architekten, die Anfang des 19. Jahrhunderts Bebauungspläne für das Gebiet erstellten, wollte Gočár, dass die Pajkr-Lünette und alle weiteren Überreste der Festungsanlage erhalten blieben, mit Ausnahme der Brauerei-Lünette; sie sollte abgerissen werden. Gočár plante, das Gebiet in drei Bereiche zu unterteilen: einen westlichen, einen mittleren mit einem Park (in dem sich auch die Pajkr-Lünette befindet) und einen östlichen.
Im westlichen Teil plante Gočár einen diagonalen, länglichen Platz. An seinem südlichen Ende sollte ein symmetrisches öffentliches Gebäude mit erhöhtem Mitteltrakt und zwei niedrigeren Seitentrakten stehen, in einer späteren Version hatte das Gebäude einen U-förmigen Grundriss. Dahinter, Richtung Ringstraße, plante Gočár ein Denkmal in Form einer hohen Stele oder eines Obelisken. Die gegenüberliegende Nordwestseite des zentralen Platzes wurde im ersten Entwurf als nicht abgeschlossen geplant. In einer weiteren Version sollte sie mit einer langgestreckten Wohnhauszeile enden, mit offener Mitte, wo sich ein gemeinschaftliches „Dorf“ befinden sollte: ein begrünter Hof mit Spielplatz, Ruheflächen und Nutzgeräten (Teppichklopfern u. ä.), ähnlich der Konzeption der zu jener Zeit in Wien errichteten Gemeindebauten. Ein definitiver Entwurf aus dem April des Jahres 1928 plante kein solches „Dorf“ mehr im Zentrum, und die Stirnseite des Platzes wurde von einem länglichen, nicht gegliederten Objekt abgeschlossen. Wie man aus den Entwürfen erkennen kann, waren drei Rasenflächen für den Platz geplant. Wie auf einigen nicht endgültigen Entwürfen zu sehen ist, hätte der nordwestliche Teil des Platzes hätte durch eine hufeisenförmige Reihe niedriger Laubbäume abgeschlossen werden sollen. Im restlichen westlichen Teil des Territoriums war ein Wohnblock mit länglichen Gebäuden vorgesehen. Gočár plante gemeinsam genutzte Grünflächen in der Mitte und begrünte Vorgärten für die einzelnen Wohnhäuser. Aus mehrere erhaltenen Axonometrie-Entwürfen geht hervor, dass die Mehrfamilienhäuser zweigeschossig sein sollten.
Der mittlere Teil des Parks mit der Pajkr-Lünette war ganz anders als die ursprünglichen, von Rejchl, Šejna und Zákrejs geäußerten Vorstellungen eines Parks zum Prominieren. Gočár plante hier einen englischen Park mit einem oval angelegten Pfad rund um die Pajkr-Lünette und einen weiteren Pfad um einen nierenförmigen Bereich in Richtung Orlice-Ufer. Entlang des Ufers sollte ein gerader Pfad mit Allee verlaufen. Richtung Ringstraße bzw. zwischen Pajkr-Lünette und Ringstraße plante Gočár einen länglichen Sportplatz, der offenbar auch eine Sprintbahn hatte. Auf dem endgültigen Entwurf aus dem April des Jahres 1928 ist dieser durchdachte, differenzierte Entwurf allerdings nicht mehr zu finden; Gočár wollte entlang der Orlice keine Allee mehr errichten. Statt des ausgeklügelten Netzwerks aus lockeren Wegen, Gebüschen und Bäumen gab es in dem Entwurf nur mehr freie Grasflächen, und zwischen Orlice und der Lünette sollte es nur einen Weg geben, der mit einer präparierten Fläche – vermutlich einem Spielplatz – endet.
Der östliche Teil des gesamten südlichen Teils der Stadt sollte zum Wohngebiet werden. Im ersten Entwurf, der wohl aus den Jahren 1925 bis 1926 stammte, plante Gočár hier acht reguläre Einfamilienhäuser, insgesamt waren 85 vorgesehen. Im Laufe der Zeit erhöhte er jedoch die Wohnkapazität und der Entwurf wurde komplexer. Das Areal sollte mittig von einer beidseitig mit Bäumen bepflanzten Straße geteilt werden, die das Flussufer mit der Ringstraße verband; im Zentrum sollte ein rechteckiger Platz entstehen. Entlang dieser Straße, rund um den Platz in der Mitte und entlang der heutigen Hradecká ulice plante Gočár Reihenhäuser. Ob es sich um Einfamilien- oder Mietshäuser mit mehreren Wohnungen handelte, geht aus den Plänen nicht eindeutig hervor. Ein Entwurf lässt erahnen, dass die Reihenhäuser höher waren als die umliegenden, einzeln stehenden Häuser; demnach ist also anzunehmen, dass es sich um Mietshäuser handelt. Diesem Konzept entsprechen auch Gočárs Entwürfe zu „Groß Hradec Králové“ aus dem Jahr 1931, woraufhin ihn Vladimír Zákrejs, der den ursprünglichen Entwurf von Groß Hradec Králové geplant hatte, verklagte.
Realisiert wurde weder einer der früheren Entwürfe noch Gočárs Vorhaben. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätte hier eine Siedlung entstehen sollen, nach einem aus dem Wettbewerb in den Jahren 1958/59 hervorgegangenen Regulationsplan. Architekten wie Jan Rejchl oder Oldřich Liska beteiligten sich an den Wettbewerben, doch auch die jüngere Generation war vertreten, etwa durch Věra Machoninová. Doch auch die Entwürfe dieses Wettbewerbs wurden nicht realisiert. Ab den 1960er Jahren änderte sich die Vorstellung für die Bebauung des Gebiets: statt eines einheitlich konzipierten Wohnviertels wurden einzelne Teile des Gebiets separat geplant: ein Bereich mit Schulen und eine Grünanlage rund um die Lünetten und das Sportstadion im östlichen Teil. Uneinheitlichkeit und Ratlosigkeit zeigte sich leider bei der Errichtung des Universitätscampus, für den bereits in den 1990ern mit den Bauarbeiten begonnen wurde und der bis heute nicht fertiggestellt wurde.
LZL
Denkmalschutz
Das Projekt wurde nicht realisiert.
Quellen
- Národní technické muzeum, Archiv architektury a stavitelství, fond Josef Gočár, č. 14, inv. č. 20100916/01, 20081118/02, 20081118/03
Literatur
-
Zdeněk Lukeš; Pavel Panoch; Daniela Karasová; Jiří T. Kotalík, Josef Gočár, Praha 2011