Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Elektrizität ein immer wichtigerer Bestandteil des Alltags. Die Lage der Stadt am Zusammenfluss von Elbe und Orlice förderte die Nutzung von Wasserläufen zur Stromerzeugung. Zwischen 1909 und 1912 wurde an der Elbe der Hučák-Wehr mit Kraftwerk errichtet. Das Kraftwerk sollte den stetig steigenden Stromverbrauch für Haushalte und neu auch für die Versorgung mit städtischer öffentlicher Beleuchtung decken. Die Stadtverwaltung plante auch die Einführung eines Straßenbahnverkehrs, der jedoch nicht mehr durch das Hučák-Kraftwerk versorgt werden konnte. Es war daher notwendig, ein weiteres Kraftwerk zu bauen.
Dies geschah nur ein kleines Stück weiter auf der Orlice, nur vierhundert Meter vor ihrem Zusammenfluss mit der Elbe. 1912–1915 wurde der Wehr gebaut, 1913–1914 die Brücke Moravský most, die über den Wehr führte, 1917 wurde schließlich das Kraftwerk fertiggestellt. Die Pläne stammen von Ing. Karel Novák und Ing. František Sander, die auch das Hučák-Kraftwerk entworfen hatten. Beide Gebäude enthalten viele ähnliche Elemente, obwohl das Kraftwerk an der Orlice nicht so großzügig geschmückt ist.
Obwohl dieses Gebäude rein technischen, zweckmäßigen Nutzen hatte, wurden hier, ähnlich wie beim Hučák-Kraftwerk, Elemente des Neoklassizismus und des Jugendstil mit der zeitgemäßen modernen Architektur kombiniert, die zu diesem Zeitpunkt in der Stadt bereits Fuß gefasst hatte. Das Gebäude ist ein einfacher Kubus mit Zeltdach und einem erhöhten Turm. Im Gegensatz zum Hučák-Kraftwerk verwendete Sander hier jedoch weder Sichtmauerwerk noch eine markantes Dominante vor. Selbst die für Sander typischen nautische Elemente sind spärlich vorhanden.
Auf den ersten Blick besticht das Gebäude durch seine warmen Farben an der Fassade, den creme-gelblichen Putz und die terrakottafarbigen Pilaster und Gesimse – im Kontrast zum kühlen Wasser des Flusses Orlice und der Stahlbetonbrücke. Die Innenräume wurden unter Verwendung von weißem Putz und Keramikfliesen der Firma RAKO rein zweckmäßig gestaltet. Markant sind Sanders typische Rundbogenfenster mit großflächigen Industrieglasscheiben. Weitere bedeutende Elemente sind die einfach abgeschlossene Pilaster, Fassadenverzierungen in Form von runden Schifffenstern und ein Dachauge. Interessant ist auch der Kontrast zwischen den kleineren Fenstern in den Betriebsräumen im unteren Gebäudebereich und den großzügigen Fenstern im oberen Wohnbereich.
Das Kraftwerk war mit einem Generator und einem Dynamo zur Erzeugung von Gleichstrom ausgestattet. Angetrieben wurde es von zwei Francis-Turbinen, die bei einer Duchflussmenge von24 m³/s eine Leistung von 225 kW erreichten. Die Wasserkraft wurde über ein kombiniertes Zahnradgetriebe auf vertikal montierte Generatoren mit einer Leistungsaufnahme von 240 kVA übertragen. In den 1930er Jahren überschritt die ursprünglich installierte Ausrüstung die geplante Lebensdauer; außerdem stellte sich im Laufe der Zeit heraus, dass das Kraftwerk nicht so effizient war, wie es angenommen wurde.
Der tschechische Maschinenhersteller ČKD entwickelte daher mehrere Modernisierungsvarianten, wobei der Schutz der Pfeiler der Mährischen Brücke vor Beschädigungen im Vordergrund steht. Obwohl die Durchflussmenge gleich blieb, erhöhte sich die Leistung des Kraftwerks nach Installation einer neuen Kaplan-Turbine. Nun konnten 125.000 kWh mehr Strom pro Jahr erzeugt werden. Der Wiederaufbau des Kraftwerks ging zügig voran und im Jahr 1938 wurde die Modernisierung abgeschlossen. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten auch die Wehrkörper erneuert werden. Die vorhandenen Schleusentore waren bereits sehr unzuverlässig, sie hätten längst ausgetauscht werden sollen, im Winter waren sie unbrauchbar und ihr Betrieb gefährlich. Im Jahr 1951 begann man mit der Renovierung. Um die Stützpfeiler der Brücke Moravský most besser zu schützen und einzelne Teile von Wehr und Brücke voneinander zu trennen, wurden drei modernistische Wassertürme vor den bestehenden Pfeilern der Brücke errichtet, zwischen denen moderne Walzenverschlüsse angebracht waren. Bedient wurden sie direkt in den Türmen; sie konnten von Deck aus über Treppen erreicht werden. Eine sehr ähnliche architektonische Gestaltung der modernistischen Schleusentürme wurde auch beim Bau von Wehreinsätzen an den Dämmen Kružberk und Těrlicko in Nordmähren verwendet, deren Bau zur gleichen Zeit erfolgte.
Die Anlage und ihre Ausstattung entsprachen den ursprünglichen Erwartungen weder bei Inbetriebnahme noch nach der Modernisierung in den 1930er und 1940er Jahren. Verschiedene Fehler und Mängel sind darauf zurückzuführen, dass es eines der ersten dieser Art auf dem Gebiet der Niederdruckwasserkraft war. Erkenntnisse aus dem Betreib hat man später in anderen Projekten verwenden können. Seit den 1950er Jahren arbeitet die Anlage ohne größere Unterbrechungen oder Änderungen. Derzeit befindet sie sich im Eigentum der Firma 1. elektrárenská s.r.o. und funktioniert immer noch als Stromerzeuger und Pumpstation des städtischen Wasserwerks; die Räumlichkeiten werden vom Servicepersonal genutzt.
Ondřej Tomický
Das Wasserkraftwerk an der Orlice ist unter der Nummer ÚSKP 29446/6-4538 als denkmalgeschützte Immobilie eingetragen und befindet sich im denkmalgeschützten Teil der Stadt Hradec Králové.
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