Die Notwendigkeit eines neuen Museumsgebäudes in Hradec Králové wurde bereits in den frühen 1890er Jahren deutlich. 1895 initiierte Bürgermeister František Ulrich, der auch Mitglied des Kuratoriums des Stadtmuseums und des späteren „Ausschusses des Industriemuseums“ war, den Kauf eines Grundstücks an der ersten Stadtringstraße, an der später eine Synagoge errichtet wurde. 1898 reichte der beauftragte Architekt Jan Koula seinen Entwurf für das Museum ein. Es sollte ein unregelmäßiges Blockgebäude mit einem Eckturm sein. Koula entwarf das prestigeträchtige öffentliche Gebäude im Renaissancestil, eine naheliegende Wahl für viele andere, zu dieser Zeit ähnlich wichtige Bürgergebäude. Koulas Entwürfe sind erhalten, und obwohl sie eine raffinierte und funktionale Besucherzirkulation im Museumsgebäude aufweisen, beeindruckte ihre konservative architektonische Form Bürgermeister Ulrich nicht, sodass ihre Zusammenarbeit nicht fortgesetzt wurde. Die Mängel von Koulas Entwurf lassen sich wie folgt zusammenfassen: „Eine möglicherweise zu allgemeine Aufgabe, der Versuch, jede Funktion des Museums separat zu behandeln, oder die Tatsache, dass der Architekt mit dem Grundstück nicht einverstanden war, haben das vorläufige Ergebnis möglicherweise beeinflusst“[1]. Schließlich wurde das Grundstück an der Okružní-Straße aufgegeben, weil es nicht genügend Platz für den weiteren Ausbau der Einrichtungen bot.
Die ersten Erwähnungen, dass das neue Museumsgebäude von Jan Kotěra entworfen werden soll, finden sich im Brief des Architekten an seinen Freund Richard Gombrich vom 18. Dezember 1904.[2] Bereits 1905 kam es zum Briefwechsel zwischen dem Kuratorium des Museums und Kotěra, in dem man sich über das Konzept des zukünftigen Museumsgebäudes austauschte. Das Kuratorium bestand aus Otakar Klumpar, seiner Frau Marie Klumparová, die auch nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1915 ein vollwertiges Vorstandsmitglied war, Jaroslav Červený, Josef Pazourek, Karel Trapp, František Ulrich und dem Vorsitzenden Ladislav Haněl, dem Direktor der örtlichen Schlosserschule. Zu jener Zeit war die Gestaltung des Gebäudes entlang der Längsachse symmetrisch: Der Lesesaal mit der Bibliothek sollte sich im Nordflügel befinden; die Büros des Archivars, des Sekretärs und des Direktors wurden jedoch erst 1906 hinzugefügt, wodurch das Projekt seine charakteristische asymmetrische Anordnung erhielt. Architekturhistoriker verglichen diesen Effekt später mit dem Konzept der Windmühlenanlage, das der amerikanische Architekt Frank Lloyd Wright in seinen Entwürfen für Präriehäuser propagierte.[3] Obwohl Kotěra Wrights Entwürfe kannte, beruhte die dynamische Gestaltung des Museums in Hradec Králové auf der Änderung der funktionalen Zusammensetzung des Erdgeschossraums. Außerdem verwendete Frank Lloyd Wright den Windmühlen-Grundriss nur für Privathäuser.
Inspiriert wurde die Komposition des Museums in Hradec Králové insbesondere durch das Museum in Liberec und ein von Friedrich Ohmann beauftragtes, nicht realisiertes Bauprojekt. In Bezug auf Möbel und Innenausstattung galt das Museum in Pilsen, das vom Architekten Josef Škorpil entworfen wurde, als Vorbild. Jan Kotěra ließ sich auch vom Äußeren der Geburtsklinik U Apolináře in Prag inspirieren, entworfen vom Architekten Josef Hlávka [4], der Berichten zufolge Kotěra kritisierte.
An dem Projekt beteiligten sich zwei prominente Mitarbeiter Kotěras: bis ins Frühjahr 1908 war es Josef Gočár, selbst Autor einiger fast endgültiger Entwürfe, und schließlich auch Otakar Pokorný, der zuvor das Konstruktionsbüro von Kotěra und den Bau des Nationalhauses in Prostějov geleitet hatte. Bohumil Waigant, Kotěras Angestellter und Bruder des Bildhauers Antonín Waigant, beteiligte sich möglicherweise ebenfalls an dem Projekt, doch wird sein Beitrag in keinem Dokument bestätigt. Antonín Waigant widmete sich der Gestaltung der Innenräume des Museums.
Zwischen 1906 und 1908 änderten sich der Grundriss des Gebäudes sowie das Ausmaß und die Form der Außen- und Innendekoration. Während die axonometrischen Entwürfe aus dem Jahr 1907 zeigen, dass der mittlere Eingangstrakt konkav und mit linearen Jugendstilornamenten verziert werden sollte, sah der endgültige Plan ab Herbst 1908 eine vertiefte Form und den Wechsel von glattem und grobem Putz und glasiertem und nicht glasiertem Mauerwerk vor. Die Verwendung von Sichtmauerwerk hatte eine symbolische Bedeutung. Das unverputzte Mauerwerk neben der ehemaligen, durch Joseph II. errichteten Festung bezog sich auch auf die im Stil der schlesischen Gotik erbaute Kathedrale des Heiligen Geistes und wurde so zu einem visuellen Symbol der städtischen Architektur. Die Ornamente wurden reduziert, die Fassade vereinfacht und das glasierte Mauerwerk betont – vor allem aus finanziellen Gründen. Im Sommer 1908 wurden drastische Kürzungen vorgenommen. „Wir müssen die Fassade wesentlich vereinfachen. Die Kompositionen und Formen können nicht stark verändert werden, so dass die Konstruktion durch die Verwendung billigerer Materialien vereinfacht wird. Zu diesem Zweck werde ich den Einsatz von Stein auf ein Minimum reduzieren und jetzt an der Fassade arbeiten, der Gebäudeboden soll aus Beton bestehen. [...] Das Erdgeschoss und die größte tektonische Unterteilung der anderen Gebäudeteile sollten aus Sichtmauerwerk bestehen. Alle übrigen Flächen würden nur grob verputzt “, schrieb Kotěra an das Kuratorium.[5] Das Äußere enthielt Keramikdetails, Reliefs und Fialen an Pilastern, die von den Bildhauern Karel Pavlík und Antonín Waigant entworfen und von der Firma Rydl & Tho aus Svijany-Podolí angefertigt wurden. Diese Funktionen wurden im Herbst 1911 installiert.
Nach Angaben der Aufzeichnungen über den Bau wurde der Rohbau zwischen Anfang 1909 und 1911 errichtet, als die inneren Trennwände gebaut und die Decken auf Belastbarkeit geprüft wurden. Der Bau des Gebäudes, das bis Ende 1909 überdacht werden sollte, wurde durch Lieferengpässe aufgrund der Ziegelei von František Tomášek in Vysoké Mýto und Beschwerden über defekte Ziegel verzögert. Das Gebäude hatte zwei sehr unterschiedliche Bauunternehmer: František Jirásek, der sich auf Betonarbeiten spezialisiert hatte und für den das Museumsprojekt sein erster Großauftrag war, und Josef Jihlavec, der die Maurerarbeiten koordinierte und für den das Museumsprojekt der letzte Auftrag vor seiner Pensionierung war. Es gab heftige Auseinandersetzungen zwischen den beiden, die im Sommer 1910 zu Beschwerden und Zeitverschwendung führten, als Jihlavec zunächst wegen der Verspätung von Jirásek nicht arbeiten konnte und Jirásek später wegen der Verspätung von Jihlavecs Arbeitern nicht arbeiten konnte. Im Sommer 1911 wurden dem Gebäude monumentale Statuen von Königinnen hinzugefügt, die von den Bildhauern Stanislav und Vojtěch Sucharda entworfen und von den Firma RAKO Rakovník hergestellt wurden. Die Statuen können nicht eindeutig ausgelegt werden; Historiker und Kunsthistoriker neigen dazu, sie als Sinnbild einer glamourösen Epoche in der Geschichte zu interpretieren – der mittelalterlichen Epoche der Mitgiftstadt der tschechischen Königinnen und der jesuitisch geprägten Barockstadt, in der das Bistum gegründet wurde. Die Neuzeit und die Befreiung aus der „Gefangenschaft“ durch die Festung Joseph II. wird durch die Bronzestatue eines jungen Mannes symbolisiert, die von manchen als Personifikation des Bürgermeisters František Ulrich betrachtet wird. Die zeitgenössische Presse schrieb: „Hradec Králové ist hier als junger Mann mit mächtigen Muskeln und einer Brust dargestellt, der trotz der schlechten Zeiten den Kampf um Wohlstand und Entwicklung auf männliche und hoffnungsvolle Weise aufnimmt.“[6] Andere sahen die Statuen als Allegorien der angewandten Kunst und der Geschichte, aber es war nicht klar, welche was verkörperte.
Das endgültige Erscheinungsbild des Museumsgebäudes löste auffallend widersprüchliche Reaktionen bei den Architekten aus. Der Kunsthistoriker Rostislav Švácha schrieb ihm einen „Arbeitscharakter“ zu, „der Architekt Josef Chochol widerum konstatierte „maschinenhaftes Aussehen“. Andererseits waren junge Avantgarde-Architekten von seiner Monumentalität und Dekoration irritiert. Karel Teige warf ihm ein „schweres erdrückendes Pathos der Masse“ und der farbenfrohen Skulpturen vor, die einem „Modegeschmack“ unterliegen würden. Auch Pavel Janák äußerte sich nicht ganz positiv zum Entwurf von Kotěra: „Die heimische Entwicklung wandte sich ab von der Gefahr des Intimen und hin zu einem festen Bauwerk, allerdings mit einer gewissen Redundanz und dekorativer Komplexität der Formen.“ Josef Chochol behauptete, dass „der Ausdruck mit früher gültigen, inzwischen allerdings vergehenden Elementen einer pathetischen Erhabenheit und gewissermaßen kaschierten Feierlichkeit vermischt wurde.“[7]
Kotěras Büro entwarf alle Innenräume – die Beleuchtung, die Möbel für das Rednerpult Vortragssaal und in den Vorräumen (hergestellt von Josef Nevyhoštěný), die Klappsitze im Vortragssaal (hergestellt von Thonet), die Ausstattung der Direktion (hergestellt von Tržnice nábytku, einer örtlichen Firma) und die Möbel für Bibliothek und Lesesaal (hergestellt von Josef Nevyhoštěný). Das Foyer im ersten und zweiten Stock wurde mit Glasmalereien verziert, hergestellt vom Glasmacher František Uhlíř aus Třebechovice und entworfen vom Dekorateur František Kysela, Kotěras Kommilitonen an der Akademie für Kunst, Architektur und Design in Prag. Der Tambour der Kuppel im Eingangsbereich ist im zweiten Stock mit vier Mosaikfeldern geschmückt, die ursprünglich von Kotěras Mitarbeiter, dem Maler Jan Preisler, entworfen wurden. Alle Mosaike wurden jedoch erst nach dem Tod von Kotěra und Preisler installiert – eines im Jahr 1931 und die restlichen drei um die Wende von 1940 und 1941.
Im Jahr 1919 entwarf Jan Kotěra einen aktualisierten Plan für einen Zubau und auch alle Expositions- und Lagermöbel für die Ausstellungshallen und Lagerräume – staubdichte Vitrinen mit schwarzem Rahmen. 1942 fand ein Wettbewerb für die Fertigstellung des Museums statt, und Jan Rejchl, Josef Gočár, Ladislav Machoň, Bohumil Hübschmann und Fratišek Krásný reichten ihre Entwürfe ein. Der Entwurf von Rejchl, der das ursprüngliche Projekt von Kotěra respektierte, aber auch die notwendigen Innovationen beinhaltete, gewann den Wettbewerb. Das Projekt wurde jedoch aufgrund eines Bauverbots nicht durchgeführt. Das Museum wurde in den Jahren 1960–1964, 1969 und 1975 teilweise umgebaut (Überdachung des Unterflurhofs). Zwischen 1984 und 1988 wurde der Außenbereich nach dem Projekt von Jaroslav Andres komplett renoviert. In den Jahren 1999–2002 wurden die Innenräume des Museums vollständig restauriert. Dem folgte die Sanierung und Restaurierung der Statuen an der Fassade in den Jahren 2003–2004. Zwischen 2018 und 2019 fand eine weitere Generalsanierung des Außenbereichs und der Skulpturen statt.
LZL
Anmerkungen:
[1] Ladislav Zikmund-Lender, Projektování, výstavba, vybavování, in: Ladislav Zikmund-Lender; Jiří Zikmund (Hgg.), Budova muzea v Hradci Králové: 1909–1913: Jan Kotěra, Hradec Králové 2013, S. 26
[2] Z dopisů Jana Kotěry svému příteli R. G. ve Vídni, Stavitel, 1924, Jg. VI., Nr. 8–9, S. 64
[3] Rostislav Švácha, Poznámky ke Kotěrovu muzeu, Umění, 1986, Jg. 34, S. 171–179, zit. S. 172; vgl. auch Vladimír Šlapeta et al., Frank Lloyd Wright a česká architektura, [Praha] 2001.
[4] Ladislav Zikmund-Lender, Exteriéry, in: Ladislav Zikmund-Lender; Jiří Zikmund (Hgg.), Budova muzea v Hradci Králové: 1909–1913: Jan Kotěra, Hradec Králové 2013, S. 50
[5] Archiv MVČ, fond Stavba muzea, Dopis Jana Kotěry Kuratoriu městského průmyslového muzea (?), Redukce projektu, 11. 6. 1908
[6] Novostavba musea, Ratibor, 1911, Jg. XXVIII, Nr. 33. S. 5
[7] Vgl. Ladislav Zikmund-Lender, Jan Kotěra v Hradci, Hradec Králové, 2016, S. 100
Das Museum ist unter der Nummer ÚSKP 15682/6-559 als denkmalgeschützte Immobilie eingetragen, als nationales Kulturdenkmal unter der Nummer SNKP 208 und es befindet sich im denkmalgeschützten Teil der Stadt Hradec Králové.
- Archiv MVČ, fond Stavba muzea, karton 1–10
- Archiv MVČ, fond Rekonstrukce muzea
- Archiv architektury NTM, fond Kotěra, č. 21
- Archiv stavebního odboru MMHK, stavební dokumentace k č. p. 465
-
Novostavba musea, Ratibor, 1911, roč. XXVIII, č. 33. s. 5
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Otevřený list panu profesoru a architektu Janu Kotěrovi, Ratibor, 1912, roč. XXIX, č. 33, s. 5
-
Josef Chochol, Jan Kotěra, Časopis československých architektů, 1923, roč. 22, s. 165–171
-
Karel Teige, MSA 2: Moderní architektura v Československu, Praha 1930
-
Marie Benešová, Jan Kotěra, Praha 1971
-
Bohuslav Fuchs, In margine uměleckého odkazu Jana Kotěry, Brno 1972
-
Marie Benešová; František Toman; Jan Jakl, Salón republiky. Moderní architektura Hradce Králové, Hradec Králové 2000
-
Vladimír Šlapeta a kol., Jan Kotěra: Zakladatel moderní české architektury: 1871–1923, Praha 2001
-
Petr Wittlich et al, Jan Preisler: 1872–1918, Praha 2003
-
Jakub Potůček, Hradec Králové. Architektura a urbanismus 1895–2009, Hradec Králové 2009
-
Ladislav Zikmund-Lender; Jiří Zikmund (eds.), Budova muzea v Hradci Králové: 1909–1913: Jan Kotěra, Hradec Králové 2013
-
Ladislav Zikmund-Lender, Jan Kotěra v Hradci, Hradec Králové, 2016
- Ladislav Zikmund-Lender, Struktura města v zeleni: Moderní architektura v Hradci Králové, Hradec Králové 2017