Bereits in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde über den Bau einer reformierten Kirche in Hradec Králové nachgedacht. Die Initiative entwickelte sich primär im Milieu außerhalb von Hradec Králové. Im Jahr 1896 reichte das Presbyterium der reformierten evangelischen Gemeinde Černilov bei der Stadtverwaltung ein Gesuch auf eine Bauparzelle ein. Die Stadt weigerte sich allerdings gegen eine endgültige Entscheidung, da der Regulationsplan noch nicht fertig ausgearbeitet war, und deshalb gründete das Presbyterium den Verein zur Errichtung der evangelischen Kirche in Hradec Králové, der nach dem Jahr 1898 die Initiative übernahm. Erst im Jahr 1905 gelang es dem Verein, um 18 779,20 CZK eine Bauparzelle gegenüber dem Mauttor (tsch. Mýtská brána) zu erwerben. Doch die Verzögerungen in Bezug auf die Errichtung der Kirche nahmen damit kein Ende. Mit dem Entwurf des Gebäudes wurde der Architekt Otto Bartning beauftragt, der daraufhin fünf Projekte ausarbeitete. Die vorgelegten Visualisierungen wurden jedoch vor allem aus ökonomischen Gründen abgelehnt, genauso wie der monumentale Entwurf von Josef Gočár, der stark vom italienischen Futurismus inspiriert war. Weitere Architekten waren Václav Rejchl sen. und sein Sohn Václav Rejchl jun. Mit deren Projekt war der Verein einverstanden, doch dem wichtigsten Spender, dem Schweizer evangelischen Verein, gefiel es nicht. Auch deshalb sah sich der Auftraggeber dazu gezwungen, einen architektonischen Wettbewerb auszuschreiben, an dem sich neben Václav Rejchl sen. auch Oldřich Liska, Vladimír Fultner und einige weitere Assistenten beteiligten. In Hinblick auf die beschränkten finanziellen Mittel entschied sich der Verein für das Projekt von Oldřich Liska, das gemeinsam mit dem Baumeister Josef Fňouk ausgearbeitet wurde. Der Architekt verzichtete nämlich auf ein Honorar. Die Besonderheit seines Entwurfs liegen vor allem in der sensiblen Kombination neoklassizistischer Elemente und der dekorativ ausgerichteten deutschen Moderne in Kombination mit symbolischen, auf hussitische Themen verweisenden Elementen.
Am 19. Juni 1911 wurde mit dem Bau begonnen, im Jahr 1912 wurde das Gebäude durch die Firma Fňouk – stavitel & Liska – architekt fertiggestellt. Den ursprünglich sehr dekorativen Entwurf formte der Baumeister Fňouk durch eine größere Menge neoklassizistischer Elemente bei der Realisierung um. Das Areal der evangelischen Kirche bestand aus einem eigenständigen Gebetshaus mit separatem Glockenturm und daran anschließend eine mehrstöckige Villa der Pfarre. Der Architekt Liska wandte sich bei diesem Kirchengebäude auf damals untypische Weise vom Motiv der regelmäßigen Gliederung ab. Die Fassade des Gebetshauses unterteilte er durch enge, rechteckige Fenster. Die Fassade wird verstärkt durch das Stufenportal mit Jugendstil-Fries und einem subtilen Tympanon mit kannelierten Pilastern. Das gesamte Objekt überdachte der Architekt dann mit einem massiven Satteldach. An das Gebetshaus schließt ein Glockenturm an, der in den unteren Partien durch starkes, schweres Mauerwerk verstärkt wird. Der Rundgang des Turms versah der Architekt mit Halbsäulen; der Turm selbst verfügt über ein Dach in Form eines hussitischen Helms, abgeschlossen mit der Form eines Morgensterns. Mit ähnlichen Elementen unterteilte Liska die Fassade der dazugehörigen Pfarre. Auch in dem Fall bediente sich der Architekt des Stufenportals, dekorativer Bögen im Jugendstil und Faschen an den Fenstern. Das Gebäude der Pfarre besitzt ein Mansardendach. Was die räumliche Aufteilung betrifft, so ist das Hauptgebäude – das Gebetshaus – unterteilt in eine kleine Vorhalle, eine Haupthalle und einen Raum für den Priester. Insbesondere das Gebäude der Pfarre ist unterkellert, um der evangelischen Kirchengemeinde von Hradec Králové ausreichend Raum zur Verfügung zu stellen.
Neben dem Architekten beteiligten sich noch weitere Künstler an der Ausstattung und Dekoration der Kirche. Die Statuen, insbesondere das Modell des Kelchs über dem Portal, gestaltete der Bildhauer Petr Novák aus Jaroměř. Die Lichter und der Kronleuchter im Gebetshaus entwarf Josef Rabas. Karel Urban schuf die Orgel der Kirche, doch die wichtigsten Elemente der Interieurs wurden vom Architekten Oldřich Liska und dem Bauherren Josef Fňouk selbst gestaltet. Liska entwarf die gesamte Ausstattung sowie einzelne Details der geräumigen Kanzel, den Tisch des Herrn und auch die Bücherschränke. Die Elemente wurden auf der Basis von Plänen durch den Tischer Václav Souček angefertigt.
Die gesamte Stilisierung des realisierten Projekts verweist klar auf die Inspirationsquellen Oldřich Liskas. Hinsichtlich seiner konservativen Ausbildung an der k. & k. Staatlichen Industrieschule in Prag und später an der Kunstgewerbeschule Dresden wurde das deutschsprachige Milieu zu seiner wichtigsten Inspirationsquelle. In den Entwürfen zu Liskas ersten Projekten ist die häufige Verwendung von Elementen des Art déco und des späten deutschen Jugendstils auszumachen, der auf Wunsch des Bauherren gekonnt mit der Ästhetik des Neoklassizismus kombiniert wird. Ein wichtige Inspirationsquelle ist auch die hussitische Vergangenheit der evangelischen Kirche. Hierfür gibt es verschiedene Hinweise, zum Beispiel beim Dach des Glockenturms, das die Form eines hussitischen Helms hat, der Morgenstern auf dem Giebel und die häufige Verwendung des Kelchs, dem Symbol der Hussiten. Zuletzt muss auch noch angeführt werden, dass der Architekt selbst evangelisch getauft wurde und dieser Kirche sein Leben lang verbunden war.
Im Jahr 1943 zeigte sich, dass die Kapazität des Gebetshauses nicht mehr reichte. Aus diesem Grund ersuchte die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder den Architekten, einen Entwurf zur Erweiterung der Kirche anzufertigen. Der Architekt legte vier Projekte vor, bei denen er den Anbau eines weiteren Hauptschiffs mit derselben Material-und Fassadenkomposition entwarf. In einzelnen Entwürfen variierte er lediglich die Anbringung eines neuen Glockenturms, in manchen Fällen innovativ von einem großen Kelch abgeschlossen. Zum Ausbau ist es schließlich aus wirtschaftlichen Gründen und einer Bausperre nicht gekommen.
Nachdem sich das politische Klima im Jahr 1948 geändert hatte, kam es zu keinen weiteren Initiativen um eine Erweiterung des Kirchengebäudes. Es kam nur zu einigen wenigen Renovierungen, die vor allem das Dach und den Austausch der Fenster betrafen. Um das Jahr 2010 begann die bisher größte Rekonstruktion, bei der einige ursprüngliche Fassadenelemente gereinigt bzw. erneuert wurden; außerdem wurden der Zaun gereinigt und das Dach neu gedeckt. Fertigstellt wurde die Renovierung im Rahmen des hundertjährigen Jubiläums der Fertigstellung und Weihung der Kirche im Jahr 2012.
MB
Kulturdenkmal mit der Nummer ÚSKP 32692/6-561, befindet sich im denkmalgeschützten Teil der Stadt Hradec Králové.
- Archiv stavebního odboru Magistrátu města Hradce Králové, Stavební archiv, složka – čp. 529
- Státní okresní archiv Hradec Králové, fond Berní správa Hradec Králové, Daň domovní: Hradec Králové, inventární číslo 650, číslo popisné 529, karton 101
- František Radek Václavík; Kateřina Kulhánková; Bohdan Šeda; Jiří Pavlík; Pavel Pokorný, Stavebněhistorický průzkum evangelického kostela a fary čp. 529 v Hradci Králové, Hradec Králové 2013
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