Das repräsentative Palais des Architekten Otakar Notovtný ließ sich der Textilfabrikant Rudolf Steinský-Sehnoutka errichten. Rudolf Steinský, der wegen seines Stiefvaters bzw. Onkels den Nachnahmen Steinský-Sehnoutka führte, übernahm im Jahr 1919 die mechanische Weberei und Baumwollwäscherei Setka, die im Jahr 1893 in Černožice gegründet wurde. Im Jahr 1925 wurde der Betrieb erweitert. Steinský-Sehnoutka war auch Eigentümer weiterer mechanischer Webereien in Hradec Králové und Hořice. Die Entwürfe für die Kantine und eine Unterkunft für Steinskýs Unternehmen in Černožice stammen ebenfalls von Otakar Novotný; errichtet wurden sie im Jahr 1926. Außerdem ist das dortige Gemeindehaus ein Projekt dieses Architekten.
Vermutlich bat Steinský-Sehnoutka den Architekten im selben Jahr, einen Entwurf für das Palais in Hradec Králové anzufertigen. Nach seiner Hochzeit mit der Tochter von Cyril Bartoň-Dobenín, dem Co-Eigentümer einer der größten Textilfabriken in Náchod, erlebten die Betriebe von Steinský einen Aufschwung. Die Firma hatte in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts mehr als 20 Vertriebsstellen, drei davon waren in Prag. Mit dem wachsenden Absatz der Textilbetriebe ergab sich der Bedarf, eine Zentrale in einer größeren Stadt zu eröffnen. Rudolf Steinský-Sehnoutka beschränkte sich nicht nur darauf, sein eigenes „Textilimperium“ zu leiten, sondern engagierte sich auch in professionellen, wirtschaftlichen und finanziellen Institutionen. Er war Mitglied im Verwaltungsrat einiger tschechischer Banke: der Živnobanka, der Česká eskomptní banka, der Pražská úvěrní banka und der Anglobanka. Außerdem war er Mitglied der Bremer Baumwollbörse. Nach seiner Emigration im Jahr 1948 gründete er im Jahr 1950 in Kanada ein später sehr erfolgreiches Unternehmen für die Herstellung von Draperien und Rollläden.
Steinský-Sehnoutka wählte für den Bau des Palais ein Grundstück auf jenem Platz, den Josef Gočár als geschäftlich-administratives Zentrum konzipierte. Gočár wollte hier zwar ursprünglich Gebäude mit kulturellen Funktionen errichten, schließlich änderte er jedoch den Regulationsplan – wegen Novotnýs Palais. Der mittlere Teil des Gebäudes hat vier Geschosse und verfügt über ein ebenes Dach und eine Attika, die Seitenflügel sind dreigeschossig und tragen ein Satteldach. Das Gebäude ist mit Sandsteintafeln aus der Region Hradec Králové getäfelt; auf der massiven Attika ist ein Relief zu finden. Ein schmaler Risalit säumt die Frontseite fast zur Gänze. Im ersten Stock befinden sich die von Novotný favorisierten französischen Fenster, die über Rollläden aus Holz verfügen. Die hofseitige Fassade ist nicht verputzt; die ungebleichten Ziegel erzeugen einen dekorativen Effekt, ähnlich wie in Černožice. Die Pläne von Otakar Novotný sind mit Juni 1927 datiert. Die meisten ausführlicheren Zeichnungen des Gebäudes und seiner Interieurs sind nicht datiert. Erbaut wurde das Gebäude in den Jahren 1928 und 1929.
Novotnýs Gebäude werden von anspruchsvoll eingerichteten Interieurs und Dekorationen begleitet. Eines der bedeutendsten Interieurs ist die Ausstattung der tschechoslowakischen Botschaft in Budapest aus dem Jahr 1923. Hier und auch bei der Ausstattung des Palais beteiligten sich die von Novotný sehr geschätzten Künstler Karel Dvořák und Vratislav Hugo Brunner.
Das städtische Palais hatte ursprünglich mehrere Funktionen – im Erdgeschoss befand sich die Firmenzentrale, in den oberen Stockwerken waren repräsentative Räumlichkeiten zu finden, außerdem 13 kleinere Wohnung und die prunkvolle Wohnung des Fabrikanten Steinský-Sehnoutka, die sich über den gesamten ersten Stock erstreckte und wegen der französischen Fenster sehr hell war. Im von der Frontseite aus rechten Teil der Fassade befand sich ein Gästezimmer, gefolgt von einem Herrenzimmer mit Arbeitszimmer (dessen Ausstattung noch aus der Villa in Černožice stammt), weiters ein Festsaal, der sich über zwei Stockwerke erstreckt und links die Kinderzimmer. In dem Saal mit sehr hoher Decke befinden sich immer noch die zehn vierarmigen Kronleuchter. Im linken Teil hofseitig liegt das Kinderbadezimmer, das Zimmer der Erzieherin, das Schlafzimmer der Eltern samt Garderobe und Badezimmer, im rechten Teil hofseitig schließlich das Esszimmer und ein weiteres Gästezimmer. Im rechten und linken Flügel waren Büros sowie betriebliche und technische Räumlichkeiten untergebracht. Das Objekt ist fast zur Gänze unterkellert. Novotný entwarf alle Möbel im Stil des Neobiedermeier.
Im zweiten Stock wird das Gebäude durch die Halle in zwei Teile unterteilt, die zwei unterschiedlich hohe Ebenen haben, um ein halbes Stockwerk versetzt. Das gesamte Stockwerk verfügt über Parkettboden, der mit Intarsien versehen ist, sowie über
Kassettendecken. Von der ursprünglichen Ausstattung wurden der Brunnen, die Marmorverkleidung der Wände und Säulen, die Auskleidung der Türen sowie die Heizkörperabdeckungen teilweise erhalten. Die Entwürfe der Kronleuchter, des Gitterbeschlags und der Kamine sind mit Juni 1928 datiert. In den Repräsentationsräumlichkeiten waren figurative Tapisserien mit mythologischen Motiven angebracht. Von der Halle aus konnte das mit Säulen versehene Esszimmer betreten werden. Auch eine Bibliothek und ein Studierzimmer befanden sich hier, sie waren hofseitig ausgerichtet. Die Balkontüren des Esszimmers sind aus schlichtem, farbigem Glas mit vegetabilen Motiven. Im ehemaligen Damensalon befinden sich zwei figurative Heizkörperabdeckungen mit Adam und Eva. Im repräsentativen Salon wurden die ursprünglichen Türen, die Einbauschränke, der Kamin aus Marmor, die Verkleidung sowie der Parkettboden mit Intarsien erhalten, in den beiden zweiflügeligen Fenstern auch die Glasmalereien nach Entwürfen von V. H. Brunner. Es handelt sich dabei um vier schlanke, längliche Glasmalereien mit Tiermotiven in einer Landschaft. In den oberen Stockwerken befanden sich Wohnungen, im Dachgeschoss die sog. Studentenzimmer, in denen Schüler von Handelsschulen wohnten, denen das Unternehmen ein Stipendium erteilte.
Die Frontseite des Gebäudes schmückt ein Relief von Karel Dvořák, das im Stil des Säkularismus gestaltet wurde; es ist aus Sandstein, stammt aus dem Jahr 1928 und stellt Merkur mit einer Allegorie der Weberei dar. Merkur, der einen Schützen und eine Spindel in den Händen hält, breitet seine Arme über den Textilarbeitern aus, um ihnen Schutz zu geben. Der Bildhauer ordnete die Figuren wie in einem antiken Tympanon an. Die Frau auf der linken Seite hält eine Tafel mit der Jahreszahl 1928 und dem Buchstaben „S“, die Frau auf der rechten Seite ein Wappen und eine Rolle mit Stoff. Im Hintergrund des relativ flachen Reliefs erscheinen die rauchenden Textilfabriken von Steinský; auch das Palais selbst wird dargestellt. Durchgeführt wurden die Bildhauer- und Steinmetzarbeiten von Václav Škoda.
Der visuelle Eindruck wird von einem Minimum an Ausdrucksmitteln und Kontrasten horizontaler und vertikaler Linien geprägt. Diese rhythmische Charakteristik ist auch in der Sandsteintäfelung zu finden, wodurch die moderne Monumentalität des Gebäudes noch verstärkt wird. Auch die hohen, in einer Reihe angeordneten Pilaster verleihen dem Gebäude monumentalen Charakter, der durch eine Loggia, steinerne Täfelung und das Relief einer Fassade ergänzt wird. Novotný verband den Historismus an der Frontseite, Ausdruck des Selbstbewusstseins des Eigentümers, mit seiner eigenen Bautradition – der Verwendung roher Ziegel – an der hofseitigen Fassade. Das Gebäude respektiert Gočárs urbanistisches Konzept einer modernen Stadt. Als modernes, klassizistisches Palais bildet es ein Gegengeweicht zu dem von Gočár entworfenen Gebäude der Direktion der staatlichen Eisenbahn und dominiert die Nordseite des Platzes. Zwar passt es sich architektonisch an das Umfeld an, doch unterscheidet es sich durch seine prunkvolle Erscheinung ganz deutlich von den anderen Bauwerken in der Umgebung. Wie Jaromír Pečírky zutreffend formulierte: „der Architekt und seine Gebäude haben dieselben Charakterzüge, bürgerlich, unauffällig, gepflegt und aus rationalen Gründen etwas kühl“.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden das Erdgeschoss und der erste Stock unter anderem als Gesundheitszentrum für Kinder genutzt; die oberen Stockwerke waren noch bewohnt. Im Jahr 1974 wurde das Objekt umgebaut und anschließend bis ins Jahr 1989 vom Sekretariat des Kreiskomitees der kommunistischen Partei Tschechiens genutzt. Anfang der 90er Jahre wurde es rekonstruiert. Die Gedenktafel im Vestibül stammt aus dem Jahr 1992. Das Palais gehört auch heute wieder der Familie Steinský, die es einer Bank vermietet. Zuletzt wurde das Gebäude 2011–2012 renoviert und gereinigt.
ZH
Kulturdenkmal seit 1964, Registernummer 16946/6-545, befindet sich im denkmalgeschützen Teil der Stadt.
- NPÚ, Územní odborné pracoviště v Pardubicích, evidenční karta č. 16946/6-545.
- Archiv architektury a stavitelství Národní technické muzeum, fond č. 80, Otakar Novotný.
- Jindřich Bořecký, Ivan Exner, Martin Novotný, Tomáš Novotný, Josef Gočár, Otakar Novotný, Praha 2011, S. 160-161
- Jaromír Pečírka, Otakar Novotný, Volné směry, 1929-1930, S. 194-200
- [Dr. Šolta], Jan Sehnoutka, Úspěch: Magazín snaživých, 1933, S. 96
- Vladimír Šlapeta, Otakar Novotný 1880 - 1959: Architektonické dílo, Praha; Olomouc 1980
- Jiří Novotný, Jiří Šouša, Hradecký podnikatel Rudolf Steinský-Sehnoutka a pražský finanční svět, Královéhradecko, 2004, Hradec Králové 2004, S. 243-252
-
Marie Benešová; František Toman; Jakl Jan, Salón republiky: Moderní architektura Hradce Králové, Hradec Králové 2000, s. 86.
-
Jakub Potůček, Hradec Králové: Architektura a urbanismus 1895–2009, Hradec Králové 2009, s. 94.
-
Ladislav Zikmund-Lender, Struktura města v zeleni: Modrní architektura v Hradci Králové, Hradec Králové 2017, s. 213–223.