Villa Stein

Im Vergleich zu seinem Vater oder seinem Bruder widmete sich der Architekt Jan Rejchl dem Entwerfen von Familienhäusern weniger intensiv. Einige Projekte gibt es jedoch, dazu zählt auch die Villa von Walter Stein. Stein war zu jener Zeit der Direktor des Holzverarbeitungsunternehmens Hugo und Gustav Stein, das ein Sägewerk in der Gemeinde Plotiště nad Labem bewirtschaftete und Holz aus den Wäldern rund um Hradec Králové abbaute. Später betrieb es auch ein Sägewerk in der Gemeinde Borová, in der Stadt Nové Město na Moravě sowie in der Gemeinde Sošůvka in der Region Blansko. Offiziell übernahm Walter Stein das Unternehmen erst im Jahr 1935, als sein Vater Hugo starb.

Im Jahr 1932 entwarf Jan Rejchl im ältesten Villenviertel von Hradec Králové am Ufer der Orlice die Villa für Walter Stein. Rejchls Familie besaß hier dank des unternehmerischen Václav Rejchl sen. eine Reihe von Bauparzellen inklusive jener, wo sich später die Baustelle der Villa Stein befand. Die Vorstellungen des Bauherren waren keinesfalls eindeutig. Sowohl im Nachlass von Jan Rejchl als auch im Archiv des Bauamts haben sich mehrere Varianten der Villa Stein erhalten, von sehr traditionalistischen Entwürfen mit Satteldach bis zu sehr avantgardistischen im Stil des progressiven Funktionalismus, als Reaktion auf die damals aktuelle Errichtung der Werkbundsiedlung in Prag. Rejchl wählte schließlich den goldenen Mittelweg. Zum Garten hin finden wir eine sehr einfache, flache Fassade samt horizontaler Linien beim länglichen Balkon mit Hochparterre und einem kleinen Balkon im ersten Stock. Im Gegensatz dazu hatte die straßenseitige Fassade einen eher vertikalen Charakter, durch dreiteiligen Bandfenster mit Glasbausteinen und die Vereinigung mehrerer kubischer Elemente, die in der zentralen Linie des Risalits mit Treppenaufgang zusammenkommen. In einer avantgardistischeren Version des Projekts entwarf Rejchl das Interieur des Wohnraums im Erdgeschoss als nicht unterteilte Halle, die nur über optische Trennfunktionen verfügte; ganz ähnlich konzipierte Le Corbusier seine fließenden Räume. Die konservativeren Ansprüche des Bauherren führten schließlich dazu, dass der Wohnraum in einzelne Räume unterteilt wurde. Im Obergeschoss befinden sich die Privatzimmer und das Bad. Die Villa wurde vor kurzem umgebaut, wodurch die ursprüngliche Disposition und der avantgardistische Ethos kaum noch auszumachen sind.

LZL