Aufgrund der politischen Aktivitäten des Bürgermeisters František Ulrich und der Bemühungen, den Staatsapparat der neu gegründeten Tschechoslowakei zu dezentralisieren, wurde die Direktion der Tschechoslowakischen Staatsbahnen in Hradec Králové eingerichtet. Da man damit rechnete, dass Hradec Králové zur Eisenbahn-Metropole des Personen- und Güterverkehrs und einem wichtigen Kreuzungspunkt wird, wurde beschlossen, den im Jahr 1894 errichteten Bahnhof aufzulassen und ein neues, monumentales und deutlich überdimensioniertes Bahnhofsgebäude zu errichten. Die Presse äußerte sich damals folgendermaßen: „[das Gebäude] soll den zukünftigen Ansprüchen entgegenkommen, insbesondere was die Sicherheit und den Komfort der Reisenden betrifft.“
Zum Jahreswechsel 1926 und 1927 befasste sich das Büro von Václav Rejchl jun. mit der Ausarbeitung des Projekts, an dem sich auch Rejchls jüngerer Bruder Jan, der soeben sein Studium an der Technischen Universität in Prag abgeschlossen hatte. Václav Rejchl jun. hatte bereits Erfahrungen mit der Projektierung lokaler Bahnhofsgebäude, da er solche bereits zu Kriegszeiten gemeinsam mit seinem Vater Václav Rejchl sen. entworfen hatte; dazu zählen der Bahnhof im Stadtviertel Slezské Předměstí sowie die Bahnhöfe in Kukleny und in Lhota pod Libčany.
Am 18. Oktober 1927 wurde der verhältnismäßig ausführliche Auftrag an das Büro von Václav Rejchl geschickt. Bis Ende des Jahres forderte man die Skizzen der Bahnhofshalle im Maßstab 1:200, die Lagepläne, die Baupläne im Maßstab von 1:100, Quer- und Längsschnitte im Maßstab 1:00, Orthogonalansichten aller Fassaden, die statistische Hochrechnung der Belastbarkeit von Mauerwerk und Konstruktionselementen, einen detaillierten Kostenvoranschlag, die Pläne für die zu installierenden Leitungen, Skizzen zu baulichen und handwerklichen Details und ein Verzeichnis der Firmen, die man für die Durchführung der künstlerischen und kunsthandwerklichen Arbeiten empfiehlt. Leider wurde keines dieser Projekte erhalten. Für die rechtzeitig abgegebene Arbeit erhielten Rejchl und sein Bruder Jan, die bei diesem Projekt zusammenarbeiteten, einen Lohn von 135.000 Kronen. Die Entwürfe für die Innenausstattung sowie die Strom- und Gasinstallationen, die Heizung, Aufzüge und Dächer wurden separat vergütet.
Das Gebäude verfügt über eine längliche Abfertigungshalle in Form des Buchstabens H, der über drei Stockwerke reicht und von Oberleuchten im Dach beleuchtet wird. Im Mittelteil befanden sich die Kassen, außerdem befanden sich dort auch ein Herrenfriseur, ein Restaurant, ein Kino usw. „Das Bahnhofsrestaurant ist als Hotelunternehmen eingerichtet, es verfügt über Fremdenzimmer und einen Weinkeller. […] In dem Gebäude befinden sich auch 15 Wohnungen für Angestellte der Verkehrsbetriebe.“ In einem Artikel in der Zeitung Kraj královéhradecký ist von nur zwölf Wohnungen die Rede. Entweder wurden die Unterkünfte für die Inspektion nicht dazugerechnet, oder man reduzierte die Anzahl der Wohnungseinheiten während der Fertigstellungen der Arbeiten.
Im äußerlichen Erscheinungsbild verbinden sich die Ansprüche an ein monumentales Aussehen der neuen Abfertigungshalle und moderner Formen. Moderne Formen treten in den großen, verglasten Flächen zum Ausdruck. Sie verfügen über stilisierte Glasmalereien mit dem Stadtwappen und Eisenbahn-Symbolen (Flügelrad, der Kopf des Mars, etc.). Markante Lisenen, Lisenenumrahmung und die angedeutete Kannelierung im Erdgeschoss verleihen dem Gebäude monumentalen Charakter. Am südlichen Risalit mit Pylon befindet sich eine Skulpturengruppe des Bildhauers Josef Škoda. Die Skulpturen sind ein Gegenpol zu dem hohen, schlanken Turm. Dieser dominiert den gesamten Stadtteil und sollte Art Gegengewicht zum historischen Weißen Turm darstellen. Der Turm ist 46 Meter hoch und auf drei Seiten mit einem elektrischen Ziffernblatt versehen. Das zur Stadt gerichtete Ziffernblatt wurde in der Nacht beleuchtet.
Da das Baumaterial aufgrund der Wirtschaftskrise nur langsam geliefert werden konnte, wurde das Gebäude mit deutlicher Verspätung in Betrieb genommen, nämlich am Sonntag, den 5. Mai 1935. Darauf machte auch die zeitgenössische Presse aufmerksam. Im Artikel, der anlässlich der feierlichen Eröffnung in der Zeitung Kraj královéhradecký erschienen ist, wird zunächst die Überdimensionierung des Projekts aus den „fetten Jahren“ vor der Krise angesprochen, zugleich ist man aber überzeugt, dass sich diese Investition in der Zukunft lohnen wird und man stützt sich auf die damals bereits beachtenswerten Zahlen: im Bahnhof arbeiteten insgesamt 555 Angestellte, täglich wurden 119 Züge abgefertigt. In der Publikation Přehled desetileté práce ist zu lesen, dass den Bahnhof Hradec Králové täglich 10 Schnellzüge, 58 Personenzüge und 51 Güterzüge passieren und an den Kassen um die 3.100, in Stoßzeiten sogar bis zu 6.100 Fahrkarten verkauft werden.
Der großzügige Bau wurde in den 60er und 70er Jahren umgebaut, in den Jahren 2000–2003 wurde er zur Gänze renoviert, wobei die geschäftlich genutzten Flächen erweitert wurden. Weitere Teilrekonstruktionen fanden in den Jahren 2008–2010 statt. Im Jahr 2018 begann man mit der Erneuerung der Oberleuchten in der Abfertigungshalle sowie der Innenausstattung.
LZL
Das Bahnhofsgebäude ist unter der Nummer ÚSKP 16153/6-4536 als denkmalgeschützte Immobilie eingetragen.
- Archiv stavebního odboru MMHK, dokumentace k čp. 914, Pražské Předměstí
- Státní okresní archiv Hradec Králové, fond Nádraží AO-PP, inv. č. 245, sign. VII/1, č. k. 27
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Kol. aut., Hradec Králové – přehled desetileté práce 1924–1934, Hradec Králové, 1934, s. 68
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K otevření hradeckého nádraží, Kraj královéhradecký, roč. 1935, č. 34, s. 5
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Marie Benešová; František Toman; Jan Jakl, Salón republiky. Moderní architektura Hradce Králové, Hradec Králové 2000
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Mojmír Krejčiřík, Česká nádraží, architektura a stavební vývoj, III. díl, Litoměřice 2009, s. 79
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Ladislav Zikmund-Lender, Tři generace architektů: Václav st., Václav ml., Jan a Milan Rejchlovi, Hradec Králové, 2012, s. 80–83
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Helena Rezková, Historie městské hromadné dopravy v Hradci Králové 1928–2013, Hradec Králové, 2013
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Ladislav Zikmund-Lender, Struktura města v zeleni. Moderní architektura v Hradci Králové, Hradec Králové 2017