Bereits im Jahr 1907 hatte Jan Kotěra die Idee, für die Eckparzelle in unmittelbarer Nähe des Museumsgebäudes ein unauffälliges Zinshaus mit abgeschrägter Ecke zu errichten, durch die man aus der Ferne vom gegenüberliegenden Ufer der Elbe bis zum Museum sehen konnte. Mit dem Bauvorhaben wurde aber erst nach dem Ersten Weltkrieg begonnen. Ende des Jahres 1919 erhielt Kotěra einen Brief von Bürgermeister Ulrich, in dem es heißt: „Man plant, die Eckparzelle gegenüber dem Museum zu bebauen. Ich erlaube mir, Ihnen das Projekt zu schicken, das der Architekt Liska ausarbeitete, und bitte Sie, sich damit vertraut zu machen und mir Ihre werte Meinung darüber zu sagen, ob diese Ausführung dem Museumsgebäude nicht etwa schaden könnte.“ Offenbar sagte Kotěra der Entwurf nicht zu und er nahm die Projektierung eines Gebäudes zur Bebauung der Eckparzelle selbst in die Hand.
Das Programm der Bebauung war nicht anspruchsvoll. Man wollte damit die Wohnungsnot in den Griff bekommen, die ganz Europa nach dem Ersten Weltkrieg erfasste, und zugleich war geplant, dort den Sitz zweier städtischer Kanzleien zu errichten. Für den dreistöckige Bau waren bescheidene, aber dennoch ausreichend große Wohnungen geplant, und die Kanzleien für die Strom- und Gaswerke der Stadt waren im Erdgeschoss untergebracht. Im Laufe des Herbsts 1922 (September und Oktober) entstanden zwei Versionen des Projekts, die sich in wenigen unauffälligen Details unterschieden (Neigung des Daches, Gliederung der Schaufenster). Der Grundriss des Gebäudes hat die Form eines Dreiecks mit einer spitzen Ecke, was keine leichten Vorrausetzungen bedeutet: Kotěra entwarf drei Treppenhäuser, jedes mit einem eigenen Eingang von der Straße. Die Kanzleien im Erdgeschoss und im Souterrain hatte noch einen separaten Eingang an der Ecke. Darüber befand sich eine geräumige Terrasse. In den Stockwerken befanden sich Zwei- oder Dreizimmerwohnungen mit Küche und separatem Badezimmer, was nach dem Krieg zum Standard wurde. Die spitze, schräge Ecke wird von zwei walzenförmigen Erker-Türmen gesäumt, die ein kegelförmiges Dach abschließt.
Die Fassade aus Kunststein wird von einer tief versetzen Lisene gesäumt und die Fenster verfügen über tiefe, schräge Faschen. Das Erdgeschoss mit Schaufenstern in die Kanzleien ist gegliedert durch dekorative Felder mit kristallförmigen Verzierungen. Die Eingänge und das Treppenhaus sind mit dekorativen Gittertoren nach Kotěras Entwürfen verziert.
Das Gebäude repräsentiert Kotěras Hinwendung zu Formen der historischen Synthese. Zur selben Zeit realisierte Kotěra in Prag die monumentale Direktion des VHHT (Vítkovické horní a hutní těžířstvo, dt. Witkowitzer Bergbau- und Hüttengewerkschaft) in Ostrava und er entwarf außerdem den monumentalen Sitz der Ringhoffer-Werke im Prager Stadtviertel Smíchov. Er bekam Aufträge für Ministerien und weitere Regierungsgebäude im Prager Petrská-Viertel und im Sommer 1921 befasste er sich mit den Entwurf der Wohnung des Präsidenten Tomáš Garrigue Masaryk auf der Prager Burg. Das Gebäude mit den Kanzleien der Strom- und Gaswerke in Hradec Králové ist, neben dem Sitz der VHHT-Direktion, das einzige Beispiel von Kotěras Abschlusswerk, das sich mit dem Stil anderer Architekten jener Zeit und Zeitgenossen Kotěras aus dem Wiener Kreis um Hubert Gessner oder Leopold Bauer vergleich lässt. Zur gleichen Zeit übernimmt Kotěra Formen, in denen der Kubismus nachklingt, den er jedoch nur als eine von vielen dekorativen Ausprägungen wahrnahm, und nicht als tektonisches System. Ein Beweis hierfür sind im Fall des Hauses in Hradec Králové die mit kristallförmigen Verzierungen besetzen Felder zwischen den Schaufenstern und die Eingänge im Erdgeschoss des Gebäudes.
Bis 2009 hatte eine wissenschaftliche Bibliothek ihren Sitz in dem Gebäude, zwischen 2009 und 2014 die Stadtbibliothek. In den Jahren 2014–2015 wurde die Fassade renoviert und ein Infozentrum im Souterrain sowie im Erdgeschoss errichtet. Auch das Dach wurde ausgetauscht und man baute Dachgeschosswohnungen, wodurch es zu einer Veränderung der Neigung des Daches kam. Im Eckteil wurde ein Bandfenster eingebaut, das beide Türme umfasst.
LZL
Das Gemeindehaus befindet sich im denkmalgeschützten Teil der Stadt Hradec Králové.
- Ladislav Zikmund-Lender, Struktura města v zeleni: Moderní architektura v Hradci Králové, Hradec Králové 2017
- Ladislav Zikmund-Lender, Jan Kotěra v Hradci, Hradec Králové 2016
- Jakub Potůček, Hradec Králové: Architektura a urbanismus 1895-2009, Hradec Králové 2009
- Marie Benešová, František Toman, Jan Jakl, Salón republiky: Moderní architektura Hradce Králové, Hradec Králové 2000
- Vladimír Šlapeta (ed.), Jan Kotěra: Zakladatel moderní české architektury: 1871-1923, Praha 2001