Anfang des Jahres 1910 bekam Fultner den Auftrag, ein Haus für den Verein zur Steigerung des Wohlstands der Bevölkerung zu planen. In diesem Verein versammelten sich kleine Gewerbetreibende und Arbeiter, die sich für eine Verbesserung ihrer Produktions- und Arbeitsbedingungen einsetzten und dabei auch von Bürgermeister Ulrich unterstützt wurden. Die Entstehung des Vereins im Jahr 1908 stand im Zusammenhang mit dem Bestreben der Gewerbetreibenden, etwas gegen das Fehlen geeigneter Produktionsstätten und Geschäftsräumlichkeiten in der Stadt zu unternehmen. Wichtig war, dass das genossenschaftliche Projekt unter der Schirmherrschaft des Bürgermeisters František Ulrich stand. Die exponierte Parzelle und die günstig ausgefallene Finanzierung trugen dazu bei, dass Fultner diesen Auftrag – das „Palais für Handwerk und Fertigkeiten“ auf einzigartige Art und Weise ausführen konnte. In dem Gebäude sollten die Mitglieder des Vereins nicht nur Werkstätten, Ateliers und Geschäfte betreiben, es wurden auch Wohnungen geplant. Das Gewerbehaus sollte auf einer weitläufigen Parzelle an der damaligen Adresse Čelakovského ulice entstehen. Heute dominiert das Gebäude den Masaryk-Platz (Masarykovo náměstí), der damals noch nicht existierte; lediglich seine recht kurze Südseite formierte sich. Der Architekt konnte sein feines Gespür für den Charakter des entstehenden Raumes und dessen komplizierten, unregelmäßigen Grundriss zum Ausdruck bringen, indem er die Notwendigkeit eines würdigen Gegenpols zur Fassade der Frontseite des Gebäudes erkannte. Durch die Anpassung der Regulierungslinie des Grundstücks, wo die scharfe Ecke abgeschrägt wurde, definierte das großzügige Konzept von Fultners Konstruktion die zukünftige Gestaltung des Platzes.
Die finale Gestalt des sog. Gewerbehauses ist ein Beweis dafür, wie aufmerksam Fultner die damaligen Tendenzen wahrnahm, die einer bestimmten Gruppe führender Architekten rund um Josef Hoffmann oder Joseph Maria Olbrich entstammten, bei denen man sich klassischen Prinzipien und Formen zuwandte. Die Verwendung eines schwungvollen, klassizistischen Systems beim symmetrischen Entwurf der Fassade ist auch zurückzuführen auf die Arbeiten von Josef Zasche, die Fultner sehr gut kannte. Außerdem nahm er auf seine eigene Art und Weise auch eine neue Welle des Biedermeiers in Tschechien vorweg, die ansonsten insbesondere durch das Spätwerk von Wunibald Deininger in Ostrava repräsentiert wird.
Das Haus besteht aus einem Hauptteil, der von einem massiven Dach mit einer markanten Kuppel abgeschlossen wird, und zwei Seitenflügeln. Auch die Seitenelemente verfügen über markante Dächer und auf jeder Seite sind vierachsige Risalite mit hohen Pilastern. Im Souterrain befanden sich geräumige Werkstätten, in den vorderen Takt des Erdgeschosses brachte Fultner „luftige und moderne Läden“ unter. In den drei Stockwerken darüber waren Ein- bis Drei-Zimmer-Wohnungen untergebracht; viele davon wurden von den Mietern der dortigen Geschäfte und Werkstätten bewohnt. Insgesamt verfügt das Haus über ein gemäßigt archaisches Erscheinungsbild, das offensichtlich dem konservativen Geschmack des Auftraggebers sowie seinem Wunsch, einen soliden und repräsentativen Eindruck zu machen, entsprach. Dennoch ist die Fassade mit dezenten geometrischen Elementen verziert, und auch die von Faultner gern verwendete Plastik mit den Initialen des Auftraggebers ist hier zu finden. Das Gewerbehaus wurde Ende des Jahres 1911 eingeweiht. Es gab großes Interesse für die Läden, Geschäftsräumlichkeiten und Wohnungen – ein Hutmacher, Herrenfriseur, Schnitzer, Maler, Tuchhändler und ein Hersteller von Harmonikas oder auch die Genossenschaft der Schuhmacher waren hier untergebracht.
MP
Kein Kulturdenkmal.
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Marcel Pencák, Hradecký architekt. Vladimír Fultner ve spleti české moderny, Brno 2013, S. 95–105.
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Jakub Potůček, Hradec Králové. Architektura a urbanismus 1895-2009, Hradec Králové 2009, S. 33.
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Marie Benešová – František Toman – Jan Jakl, Salón republiky. Moderní architektura Hradce Králové, Hradec Králové 2000, S. 62–63.