Kurz nach der Errichtung der repräsentativen, modernen Sokol-Turnhalle am Elisenkai (Eliščino nábřeží) im Jahr 1930 begann auch der Turnerbund Orel (dt. Adler), der – im Gegensatz zum atheistisch eingestellten Sokol – katholisch geprägt war, über den Bau einer eigenen Bude zu verhandeln. Die Stadt Hradec Králové stand im Fokus der Tätigkeit des Turnerbunds Orel – hier wurde nämlich im Jahr 1909 eine der ersten Einheiten in Böhmen gegründet, und die ostböhmische Ortseinheit Brynychova župa hatte hier ihren Sitz. Die provisorischen Räumlichkeiten, die der Verein für seine Tätigkeit verwendete (Adalbertinum, Borromeum, usw.), waren nicht adäquat.
Die Stadt widmete dem Orel-Bund eine Parzelle in einem ruhigen Viertel am Ufer des Flusses Orlice. Das Objekt entwarf im Jahr 1933 der vor Ort kaum bekannte Architekt Václav Placák. Dieser hatte hauptsächlich Erfahrungen mit der Projektierung von Mietshäusern (meist in gemäßigt funktionalistischem Stil). Erfahrung mit Gebäuden für Sportzwecken sammelte der Architekt im Rahmen eines Wettbewerbs für eine Sokol-Turnhalle in Železný Brod sowie durch den Entwurf einer groß angelegten, puristischen Sokol-Turnhalle in Česká Skalice, die im Jahr 1929 realisiert wurde.
Placák konzipierte die Orel-Turnhalle in Hradec Králové im Geist des „weißen Funktionalismus“ – als einfachen Quader mit reiner, glatter Fassade – ohne die Ambition, die Turnhalle dieses Vereins von jener des „atheistischen“ Sokol-Bunds stilistisch markant zu unterscheiden. Denn auch „hinsichtlich der Ansichten in Bezug auf die Erziehung gibt es zwischen Sokol und Orel keine gravierenden Unterschiede“. Ein gläserner Risalit dominiert die straßenseitige Fassade, er verfügt über einen vorspringenden Eingang mit Markise und eine breite Treppe mit abgerundetem Röhrengeländer. Diese Partie, ursprünglich noch mit dem Relief eines Adlers „gekrönt“, wurde nicht symmetrisch angebracht, sondern befindet sich in der linken Hälfte der Fassade. Der rechte Teil wird durch vier große Fenster gegliedert; durch sie fällt Licht in die Turnhalle. Die zum Stadion gerichtete rückseitige Fassade fiel monumentaler aus. Vor der zentrierten fünfachsigen Fassade befindet sich eine pyramidenartig geformte Konstruktion mit Pergolen, visuell ebenfalls durch ein Adler-Relief abgerundet. Ursprünglich hätten sich in dem Areal noch zwei prismenförmige Objekte (Internate) befinden sollen, die symmetrisch an beiden Seiten des Hauptgebäudes angeordnet gewesen wären. Jedoch kam es nie zu deren Realisierung.
Angesichts der Tatsache, dass die Tätigkeit des Orel-Bundes sich kaum von jener des Sokol unterschied, ähneln sich die Turnhallen der beiden Turnvereine auch im Inneren. Der Bau verfügte neben dem Turnsaal noch über eine geräumige Galerie, einen Vortragssaal, Büros, Sanitäranlagen, eine Vorhalle mit Buffet, Schlafsäle sowie eine Wohnung für den Hauswart.
Die Orel-Einheit erfreute sich bei weitem nicht so großer Beliebtheit wie der Sokol-Bund, wodurch seine finanziellen Mittel stark beschränkt waren. Dennoch besitzt die Orel-Turnhalle in Hradec Králové im Vergleich zu jenen in anderen tschechischen Städten eine sehr individuelle Architektur ohne konservative Elemente, und in Bezug auf die damalige Ausgestaltung von Sportgebäuden befindet sie sich auf höchstem Niveau. Die ursprüngliche Gestaltung des Gebäudes wurde jedoch durch spätere Umbauarbeiten zerstört. Im Jahr 1949 übernahm die Pionierorganisation das Gebäude und machte es zu seinem Sitz (Krajský pionýrský dům, später Krajský dům pionýrů a mládeže), für deren Bedürfe später ein großer Anbau im Westen errichtet wurde (1965–1969). Nach der Wende im Jahr 1989 wurde das Gebäude an den Verein rückerstattet, der Anbau wird vom Kinder- und Jugendzentrum (Dům dětí a mládeže) genutzt.
AW
Kein Kulturdenkmal
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Jaroslava Divišová (red.), Encyklopedie města Hradce Králové N–Z, Hradec Králové 2011, s. 413
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MME [Martina Mertová], Orlovna v Hradci Králové, in: Rostislav Švácha (ed.), Naprej! Česká sportovní architektura 1567–2012, Praha 2012, s. 170–173
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Pavel Panoch, Hradec Králové: Průvodce po architektonických památkách od středověku do současnosti, Havlíčkův Brod 2015, s. 257
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Ladislav Zikmund-Lender, Struktura města v zeleni: Moderní architektura v Hradci Králové, Hradec Králové 2017, s. 177–179