Im Jahr 1925 unternahm Josef Gočár die raumplanerische Gestaltung des Ulrichovo náměstí (Ulrichplatz), nachdem er bei einem Wettbewerb zur Regulierung der Prager Vorstadt (Pražské Předměstí), eines Stadtviertels von Hradec Králové, den ersten Platz gewonnen hatte. Er plante den Schulkomplex, ein Gebäude für die tschechoslowakische hussitische Gemeinde mit Kolumbarium, das Palais der Direktion, das Palais Čerych (1934–1935) sowie die Bauarbeiten in der Umgebung. Rund um den Platz entstand ein modernes Viertel mit offenen Häuserblocks und einem Spielplatz, er sollte für qualitativ hochwertiges Wohnen stehen. Das Erscheinungsbild des Ulrichplatzes änderte sich drastisch, als im Jahr 1926 zwei Gebäude realisiert wurden – das Palais Steinský-Sehnoutka und das Haus der Tschechoslowakischen Staatsbahnen. Aus dem ursprünglich geplanten Kulturzentrum wurde ein administratives Gebäude. Alle Gebäude wurden mit vier Obergeschossen geplant. Eine um zwei Stockwerke höhere Ecke an der Hauptstraße ragt turmartig empor und begrenzt so den Platz durch ihre Form. In der näheren Umgebung des Direktionsgebäudes wurden Häuser für 130 Beamtenfamilien errichtet, die von verschiedenen Architekten entworfen wurden (u. a. von Oldřich Liska). Das Gebäude der Staatsbahnen geht über die gesamte Breite des Platzes, der als „neues Stadtzentrum“ konzipiert wurde. Im Jahr 1927 wurde von den Kaufleuten sogar eine Petition initiiert, da sie befürchteten, es würde durch den Bau der Direktion zu einem Kundenrückgang kommen. Die Händler wollten, dass man die Direktion nach dem Abriss einiger älterer Häuser in der Altstadt errichtet.
Es war Bürgermeister Ulrich, der die Institution im Jahr 1919 nach Hradec Králové brachte. Ein Jahr später bot er ihnen vorübergehend Unterbringung in der Kaserne. Ein Teil der Beamtenschaft hatte ihren Sitz im Prager Stadtviertel Karlín. Die Leitung der tschechoslowakischen Staatsbahnen wandte sich im Jahr 1928 an Josef Gočár, um das Gebäude zu projektieren, das Teil des neu entstehenden Stadtzentrums werden sollte. Die Bauparzelle wurde von der Stadt gewidmet, sie stellte auch einen finanziellen Betrag zur Verfügung.
Realisiert wurde der Bau zwischen 1928 und 1932, Gočárs Entwürfe stammen aus dem August 1928. Die Dekoration des Baus wurde im Jahr 1934 fertiggestellt. Der feierliche Spatenstich fand am 8. Oktober 1928 statt, die Bauarbeiten wurden von der Firma Josef Vyleťal und Jan Včelák durchgeführt. Die Ausarbeitung der Konstruktion aus Stahlbeton wurde im August 1928 in Auftrag gegeben und von der Firma H. Hacar und C. Klouček aus Prag durchgeführt. Insgesamt beteiligten sich an dem Bau 10 Projektanten und Lieferanten und 50 Gewerbetreibende aus Hradec Králové und anderen Städten. Die Ausgaben betrugen 27,6 Mio. CZK, das Grundstück im Ausmaß von 10.038 m² wurde von der Stadt gespendet.
Im Jahr 1929 besichtigte Präsident Masaryk die Baustelle. Über den Besuch des Präsidenten und die feierliche Eröffnung des Gebäudes wurde ein Dokumentarfilm gedreht, aber aus Mangel an finanziellen Mitteln konnte die Stadt ihn nicht erwerben. Die feierliche Eröffnung des monumentalen Gebäudes fand am 30. Oktober 1932 mit einer Industrie- und Gewerbeausstellung statt.
Das Erscheinungsbild des Gebäudes erinnert an die „Architektur von Schnellzügen. Die Betonung horizontaler Elemente bei der Fassade erinnert an einen Expresszug, der gerade in der Station stehen geblieben ist.“ Die Anspielung ist auch in den umliegenden Hallen auszumachen, von denen aus man die Büros gelangt, als würde man ein Zugabteil begleiten.
Das zentrale Gebäude misst an der zum Platz gewandten Seite 128 Meter, die zwei schrägen Flügel sind 68 Meter lang. Im Erdgeschoss befanden sich Geschäftslokale, die vom Ulrichplatz aus begehbar waren. Oberhalb der Auslagen brachte der Architekt eine gläserne Markise aus Stahlbeton-Konstruktion an. Die Säulen und Beschläge zwischen den Einbauschränken sind mit poliertem Stein verkleidet. Im Souterrain befinden sich Lager, im Trakt oberhalb der Hallen Archive, die Zentralheizung, das Belüftungssystem und ein Kohlelager. in den anderen Geschossen befinden sich Büros der Direktion der Staatsbahnen. Der Haupteingang des Gebäudes ist in der Mitte des Platzes angebracht, mit Säulen und einer Treppe auf beiden Seiten im Eingangsbereich, durch den man in die Hallen gelangt. Bei jeder Halle gibt es eine Treppe und einen Paternoster.
Im dritten Stock war die Eisenbahnschule samt Internat untergebracht. In einem Geschäftslokal an der Ecke wurden im Jahr 1934 Gegenstände von Kunstschaffenden aus Hradec Králové verkauft. Hinsichtlich der Raumaufteilung überwiegen Büroräumlichkeiten. Im Erdgeschoss in der Nähe des Eingangs befanden sich eine Kassa mit einem Raum für den Kassier, ein Tresor, ein Büro, die Abteilung für Buchhaltung, der Vorsitzende der Buchhaltung, das Büro des Stellvertreters, die Expeditionsabteilung und weitere Büros sowie Wohnungen. Insgesamt verfügte das Gebäude zum Zeitpunkt seiner Eröffnung über 14 Geschäfte, 405 Räume, 918 Fenster und 648 Türen.
Gočár verwendete im Interieur der Seitenflügel eine Hallenkonstruktion mit Galerien, die man sonst vor allem in Kaufhäusern findet. Es war neu, solche Hallen mit Galerien auch in administrativen Gebäuden anzulegen. Sie sind in Hradec Králové oder auch im Prager Messepalast (Veletržní palác, dessen Räumlichkeiten von der Nationalgalerie genutzt werden) zu finden – mit dem Unterschied, dass man in Hradec Králové alle vier Seiten der Galerie begehen kann, denn sie sind mit Stegen verbunden. Licht fiel durch Luxfer-Prismen ein. Die Galerien ziehen sich über alle Stockwerke und verfügen auch über Beleuchtung.
Gočár entwarf das Gebäude als zwei vierstöckige Galeriehallen senkrecht zum dreistöckigen Basistrakt im Norden und dem vierstöckigen Verbindungstrakt im Süden. Die Flügel umschließen einen Innenhof mit Durchfahrt in den hinteren Teil des Areals.
Die Eingangshalle verfügt über Säulen und Marmorverkleidung, von dort aus führt eine Treppe zum Paternoster-Aufzug – ein weiterer wurde in den Jahren 1962–1963 im linken Teil errichtet. Im Eingangsbereich befindet sich auch eine große fünfteilige Glasmalerei, die der Maler Josef Kaplický entwarf (von ihm stammt auch der Entwurf der Glasmalerei zu der von Gočár konzipierten St.-Wenzels-Kirche im Prager Stadtteil Vršovice). Die Glasmalerei dieses Gebäudes entstand im Jahr 1934 und zeigt in fünf Fenster Verkehrs- und Eisenbahnmotive. Das Werk ist eines der monumentalsten, die Kaplický für ein Interieur entwarf. Es zeigt den modernen Geist jener Zeit. In der allegorisch aufgefassten Mitte findet sich Merkur – er symbolisiert Handel und Verkehrswesen. Von der Figur ausgehend verlaufen Linien auf zwei Seiten – Gleise, die über Dörfer und Berge sowie entlang von Flüssen und Meeren verlaufen. Am Ufer wartet eine Gruppe armer Auswanderer auf ihr Schiff. Die Menschen haben Gepäck, warten auf einen Zug, begrüßen oder verabschieden sich. Weder ein Zug noch ein Bahnhof ist abgebildet, nur das gewöhnliche Leben der Reisenden. Von der Originalausstattung der Eingangshalle blieben die beiden Kiosks aus Glas und die Wandverkleidung erhalten.
Die Büros der Direktion und der Sitzungssaal mit Warteräumen wurden nach separaten Entwürfen eingerichtet. Die Ausstattung des Sitzungssaals – der lange Verhandlungstisch und etwa 30 Stühle – wurde nicht erhalten. In einer kleinen Nische befand sich ein Sofa, darüber eine Wand aus weißem Milchglas. In den Gängen und Hallen befinden sich Schamottefliesen und feine Mosaike.
Für damalige Verhältnisse verfügte das Gebäude über die modernste Ausstattung – Dampf- und Wasserheizung, Warmluftheizung, eine spezielle Vorrichtung zum Beheizen mit Kohle mit Absaugen der Asche, eine Telefoneinrichtung, einen Paternoster. Die Jílek-Werke (zuvor Otto-Seitz-Werke) lieferten die Lampen und die Erzeugnisse aus Silberbronze. Die Fenster hatten Rollläden und waren orange-braun gestrichen.
Bereits im Jahr 1925 plante Gočár eine Statue von Bürgermeister František Ulrich vor dem Gebäude. Jedoch zögerte er, sie aufzustellen, denn es hätte das Relief des Bildhauers Bedřich Stefan gestört. Der Architekt kam schließlich zu dem Entschluss, dass eine Statue nicht auf den derart konzipierten Platz passt. Schlussendlich wurde eine Büste des Bürgermeisters angefertigt und in der Eingangshalle aufgestellt. Im Jahr 1930 ergänzte Gočár sein Konzept des Ulrichplatzes um eine sog. Ruhezone, die mit großen Betonplatten gepflastert wurde.
Oberhalb des mit Syenit verkleideten Haupteingangs schuf der Bildhauer Bedřich Stefan ein figurales Relief im Geiste des Säkularismus. Es symbolisiert Industrie, Handel und Gewerbe und wird auch als Allegorie der Arbeit, des Handels und Verkehrs betrachtet. In der Mitte stützen sich zwei Frauen gegen eine Weltkugel, halten eine Sonnenuhr, eine Lokomotive und Symbole der Eisenbahn in der Hand – die Allegorie des Handels. Links davon sitzt eine Gruppe, die den Verkehr darstellt – Merkur und eine Frau, die sich verhüllt. Rechts davon finden wir die Allegorie der Arbeit – ein Mann und eine Frau mit Zweigen in den Händen. Die Bildhauer- und Steinmetzarbeiten wurden von Václav Škoda durchgeführt.
Auch eine Villa für höhere Beamte ist Teil des Gebäudekomplexes, sie ist im ersten Stock durch einen Verbindungsgang mit der Zentrale verbunden. Es ist ein dreigeschossiger Bau mit länglichem Grundriss und nach hinten versetztem zweiten Stock. Gočárs Pläne zur Villa stammen aus dem August 1928; sie wurde zur gleichen Zeit wie das administrative Hauptgebäude gebaut. Baubeginn war der 8. Oktober 1928, die Einweihung fand am 30. November 1932 statt. Fünfzehn Tage später wurde sie bezogen.
In der Villa befanden sich fünf Wohnungen für Beamte, eine davon war für den leitenden Beamten bestimmt. Im ersten Stock der Villa lag ein Treppenhaus mit Kantine und einer Vierzimmerwohnung. Ein architektonisch markantes Element ist die überdachte Terrasse. Oberhalb des Eingangsbereichs befindet sich ein Erker, im hofseitigen Trakt sind symmetrische Loggias angebracht, auf der gegenüberliegenden Seite Balkons.
Im Jahr 1930 schlossen sich lokale Gewerbetreibende zum Komitee für die Belebung des Ulrichplatzes zusammen, das beispielsweise für bessere Beleuchtung oder die Bepflanzung der Blumenbeete sorgte. Die finalen Entwürfe zur Gestaltung des Platzes stammen aus dem Jahr 1931. Im Jahr 1934 wurden die Grünflächen des Platzes mit Ulmen und Sträuchern bepflanzt. „Der Ulrichplatz ist der Stolz unserer Stadt! Die Behauptung, es gibt weltweit nur wenig vergleichbare architektonische Gesamtkonzepte, ist nicht unbescheiden.“ Der Architekt selbst charakterisierte sein Projekt kurz und bündig: „Einfache Form, Luft und Licht.“
Während des Zweiten Weltkriegs wurden Luftschutzbunker in der hinteren Ecke des Grundstücks errichtet, in den 1950er Jahren wurden Garagen und öffentliche Toiletten gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Direktion der Staatsbahnen in Hradec Králové aufgelassen und ab dem Jahr 1962 wurde das Gebäude von der Kreisverwaltung genutzt. Seitdem kam es zu einer Reihe baulicher Änderungen (insbesondere der Glasfront der Gänge). Im linken Teil des Gebäudes wurde in den Jahren 1962–1963 ein weiterer Paternoster errichtet (zuvor gab es bereits einen im rechten Teil). Heute staatlichen Ämtern und die Polizeidirektion des Kreises Hradec Králové in dem Gebäudekomplex untergebracht.
ZH
Das Hauptgebäude ist seit 1964 unter der Registernummer 18367/6-546 als Kulturdenkmal eingetragen und befindet sich im denkmalgeschützten Bereich der Stadt (MPZ), die Villa ist seit seit 1964 unter der Registernummer P31762/6-547 als Kulturdenkmal eingetragen und befindet sich im denkmalgeschützten Bereich der Stadt (MPZ).
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- Státní okresní archiv Hradec Králové, fond Berní správa HK, čp. 855, čp. 810
- Archiv Muzea východních Čech v Hradci Králové, fond Hradecensia, sbírková řada HK/01
- Státní okresní archív v Hradci Králové, fond Archiv města Hradec Králové, inv. č. 1761, karton č. 346, dokumenty z roku 1926, žádost z 9. 4. 1927
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