Man errichtete das Schulgebäude nach einer mehrere Jahrzehnte andauernden Diskussion über die Qualität der Umgebung, die Lichtverhältnisse und den Lichteinfall im Schulbereich. Gemeinsam mit Pädagogen und Ärzten suchten Architekten nach der besten Lösung für die Gestaltung von Klassenzimmern und Freizeiträumlichkeiten. Nach der Reform des Schulwesens gab es die Tendenz, Schule und Natur zu verbinden – und zwar nicht nur in Hinblick auf die Platzierung des Gebäudes, sondern auch durch die Aussicht ins Grüne. Die übersichtlichen Verbindungsräumlichkeiten der Schule sollten die Schülerinnen und Schüler zu Aktivitäten im Freien leiten. Gočár entwarf den Gebäudekomplex, indem er der niederländischen Theorie zur Schularchitektur folgte: Die einzelnen Bauten sollten auf einem freien Gelände in gesundheitlich unbedenklichem Umfeld stehen. Sie sollten über Turnhallen sowie Sport- bzw. Spielplätze verfügen. Mindestens für ein paar Stunden sollte direktes Sonnenlicht in die Klassenzimmer einfallen, die Fenster sollten ein Sechstel der Fläche des Fußbodens ausmachen. „Es ist erforderlich, dass jedes Kind von seinem Sitzplatz in der Klasse zumindest ein Stückchen Himmel sehen kann.“ Alle Klassenzimmer sind nach Südosten ausgerichtet.
Anfang der 1920er Jahre war die Errichtung einer neuen Grundschule aufgrund fehlender Schulplätze dringend notwendig. Der Direktor der höheren städtischen Schule richtete sich im Jahr 1924 mit der dringenden Bitte um Hilfe an den Stadtrat. Im August 1925 wurde das definitive Programm zusammengestellt, es sollten 600 Plätze in der Grundschule und 300 Plätze in der Bürgerschule errichtet werden. Im Kindergarten waren 80 Plätze geplant.
Im August 1925 gab es einen beschränkten Wettbewerb. Neben Josef Gočár beteiligten sich auch Oldřich Liska sowie Jan und Václav Rejchl jun. daran. Der Gebäudekomplex besteht aus der Grundschule mit der Konskriptionsnummer 690 und dem Haus für den Kindergarten mit der Konskriptionsnummer 691. Sowohl in Bezug auf die Höhe als auch hinsichtlich der Gestaltung der Fassade aus Sichtmauerwerk ähnelt das Gebäude dem benachbarten Gymnasium. Obwohl sich in den Plänen aus dem Jahr 1925 auch eine Villa für den Direktor der Schule befindet, wurde diese letztendlich nicht realisiert. Sie hätte an jener Stelle stehen sollen, wo das Grundstück der Schule an jenes der hussitischen Gemeinde grenzt, in der Nähe des erst später realisierten Teils des Projekts – der Bürgerschule (Konskriptionsnr. 692), die 1956–1959 nach überarbeiteten Entwürfen von Václav Rohlíček errichtet wurde und an den Kindergarten anschließt. Das neu entstandene Schulareal ergänzt ältere Schulgebäude: die Handelsakademie (errichtet 1896–1897) und die der Lehrerausbildung dienende Normalschule (errichtet 1900).
Gočárs Entwurf, mit dem er den Wettbewerb gewann, stellte ein neuartiges Konzept dar, wonach die Schulgebäude als symmetrisches, abgeschlossenes Ensemble angeordnet sind. Zwei Auslandsreisen beeinflussten nicht nur die architektonische Ausführung, sondern wirkten sich auch auf die Form des Schulbetriebs und Unterrichts aus: Im Jahr 1924 reiste Gočár in die Niederlande, im Jahr darauf nach Paris. Während seiner ersten Reise traf Gočár auf neue architektonische Konzepte und kam außerdem in Kontakt mit der Bewegung zur Reformierung des Schulwesens, was so große Begeisterung in ihm auslöste, dass er gleich einige der Grundsätze im Schulkomplex von Hradec Králové anwandte. Dem Konzept zufolge müssen die Schulgebäude im Grünen stehen, oftmals hatten mehrere Schulen einen gemeinsamen Hof mit Sportplatz. Außerdem legte man großen Wert auf ausreichend Hygiene, Sonne und frische Luft. Außen- und Innenräume wurden so gut es ging miteinander verbunden – etwa durch die gläserne Wand der Turnhalle, die sich sogar öffnen lässt und dann mit dem Sportplatz verbunden ist, für in dessen Mitte Gočár ein großes Schwimmbecken konzipiert hatte. Das längliche Becken hätte den äußeren Umriss des Kindergartens kopieren sollen und an der kürzeren Seite waren hohe, pyramidenförmige Obelisken geplant. Eine Neuheit der damaligen tschechischen Schul-Architektur bildeten die „flachen Dächer der Flügel […], die teilweise mit Beton bedeckt sind“, und die als „Sonnenbad für die Schüler“ verwendet bzw. auch im Turnunterricht benutzet werden sollten. Die im Grunde genommen begehbaren Dächer – die ersten ihrer Art in Tschechien – entwickelte der Architekt unter dem Einfluss der stark funktionalistisch orientierten Architektur von Le Corbusier. Gočár besuchte Le Corbusiers Pavillon de L’Esprit Nouveau Gočár im Rahmen der internationalen Pariser Weltausstellung des Kunstgewerbes und des Industriedesigns und verfolgte das Werk dieses Architekten auch weiterhin. Im Jahr 1928 trafen sich die beiden persönlich. Der Schulkomplex liefert ein Beispiel dafür, wie sich Gočárs Denkweise nach und nach änderte. Die Ausführung der Grund- und Bürgerschule folgte einem älteren Konzept unter Verwendung von Ziegeln und war von der niederländischen Architektur beeinflusst; der Kindergarten wurde bereits im funktionalistischen Stil realisiert.
Der Bau des Schulkomplexes verlief in zwei Etappen. Die Grundschule wurde von den Baumeistern Novotný und Vyleťal aus Hradec Králové in den Jahren 1926–1927 realisiert. Bauaufsicht hatte der Baumeister Josef Jihlavec, der ebenfalls aus Hradec Králové stammte. Im Februar 1926 wurde die Grundsteinlegung gefeiert, im Mai genehmigte man Gočárs Pläne. Die Schule wurde schließlich am 23. Oktober 1928 eröffnet.
Das dreiflügelige Gebäude mit zwei Obergeschossen ist geprägt vom Kontrast zwischen rotem Sichtmauerwerk und den mit Zement verputzen Gesimsen, Sockeln und dem Portikus am Eingang. Die hofseitige Fassade ist verputzt, die Dachkonstruktionen wurden durch eine Pergola aus Stahlbeton verbunden, die flachen Dächer waren mit Zementfliesen bedeckt. Der Haupteingang verfügt über hohe Säulen aus Kunststein. Die mittleren Teile der Frontseiten werden von zweistöckigen Turnhallen und Sälen eingenommen. An der nordöstlichen Ecke befindet sich eine Gedenktafel mit den Baujahren 1926–1927 und dem Wappentier der Stadt, dem Löwen, einem Werk des Bildhauers Josef Škoda.
Die Schule ist als Doppeltrakt mit zwei Obergeschossen und einem erhöhten Erdgeschoss konzipiert. Die Gebäude umschließen den Schulhof; das Objekt ist zur Gänze unterkellert. Der Grundriss basiert auf einer Kreuzung der Achsen einzelner Flügel und Trakte. Vom Portikus am Eingang erreicht man die Garderoben im Souterrain. Alle Stockwerke sind durch eine zweiläufige Treppe verbunden. In den Nord- und Südflügeln befinden sich Klassenzimmer, im einstöckigen Verbindungstrakt befinden sich eine Turnhalle und eine Aula, im Risalit an der Ecke die Zweizimmerwohnung des Hausmeisters. Der Flügel, über den man auf den Sportplatz und in die über zwei Stockwerke reichende Turnhalle gelangt, ist von der Eingangshalle erreichbar. Der Risalit des Treppenhauses reicht in den Hof. Im hofseitig gelegenen Trakt wurden das Büro des Direktors, das Lehrerzimmer und ein Klassenzimmer untergebracht, auch im Risalit an der Decke befindet sich ein Klassenzimmer. Der Gang des Verbindungsflügels schließt an die Halle des Treppenhauses an, von dort aus sind die Toiletten und die Kabinette des hofseitigen Trakts erreichbar.
Der am Ufer gelegene Eingang in den Südflügel wird von einem massiven Portikus aus Kunststein dominiert. Vom Windfang führt eine Treppe in die Eingangshalle und zwei weitere, seitlich gelegene Treppen führen in den Souterrain. Links vom Eingang straßenseitig befinden sich Klassenzimmer, hofseitig der Gang und ein Kabinett. In der hofseitigen Ecke liegt die Haupttreppe. Rechts vom Eingang, im einflügeligen Gebäudeteil, sind Klassenzimmer untergebracht. Der erste Stock verfügt über dieselbe Disposition wie das Erdgeschoss, in der Mitte, oberhalb des Verbindungstraktes, befindet sich eine Aula, an diese schließen eine Garderobe, Sanitäranlagen und die Schulbibliothek an. Im Nord- und Südflügel kopiert die Raumaufteilung im zweiten Stocks jene des Erdgeschosses, am Ende der Gänge befindet sich eine zweiläufige Treppe, die auf das Dach führt. Die Toiletten sind aus dem Treppenhaus zugänglich, sie befinden sich jeweils an den Enden der Verbindungstrakte.
Die Möbel lieferte die Firma Josef Nevyhoštěný, die Rollläden die Firma Kryštof und die Kronleuchter die Firma Jirouš. Die Schränke für die Klassenräume (teilweise sind es Einbauschränke), Stühle und Sessel aus gebogenem Holz wurden vom Tischlereibetrieb Antonín Pecka angefertigt.
Nach der Eröffnung der Schule heißt es in der lokalen Presse: „Das neue Gebäude der staatlichen Schule ist, obwohl es teilweise zweckdienlicher sein könnte, ein modernes, helles und luftiges Gebäude, das durch seinen massiven Eindruck besticht.“
Der Kritiker Karel Herain schätzt, wie sich Gočár „nicht nur immer mehr mit den Bedürfnissen des heutigen Schulbetriebs befasst, sondern auch die baulichen Voraussetzungen für die Schule der Zukunft berücksichtigt. Dort, wo es ursprünglich um die formale Ausgestaltung ging, befasst er sich jetzt in Zusammenhang mit Schulgebäuden auch mit Fragen wie Räumlichkeit, Beleuchtung, Beheizung, Reinigung, Orientierung, mit der Verstauung von Schuhen und Oberbekleidung der Einrichtung der Klassenzimmer, Gemeinschaftsräumlichkeiten und Turnhallen; er nimmt Rücksicht auf den praktischen Nutzen und das Aussehen der Klassenzimmer und Gänge, denkt an Garten und Sportplatz; er befreit die Gebäude von kasernenartigen Bauschablonen zugunsten größerer Vielfalt und Aufgliederung in offene Blöcke.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Grund- und Bürgerschule zu einer Grundschule zusammengefasst. Eine Reihe von Räumlichkeiten wurden deshalb anders genutzt, mit dem Ziel, eine größere Anzahl an Klassen unterzubringen. In den Jahren 1956–1959 wurde auch die zweite Hälfte des Areals bebaut – die neunjährige Grundschule Zálabí. Gočárs ursprüngliche Ideen wurden bei diesem Bau umgesetzt, doch die Entwürfe stammen von Václav Rohlíček. Das damalige staatliche Bauunternehmen Stavoprojekt, geleitet von Gočárs Schüler Jan Rejchl, errichtete den zweiten, spiegelverkehrten Teil der Schule, wodurch das Areal abgeschlossen wurde. Der ältere Teil hieß ursprünglich Grundschule Lipkách (Základní škola v Lipkách), der neuere Grundschule Zálabí (Základní škola v Zálabí).
Das Schulgebäude aus dem Jahr 1926–1928 wurde Anfang des 21. Jahrhunderts von unterschiedlichen Organisationen genutzt, auch die Handelsakademie war hier untergebracht. Heute befindet sich dort ein Schulhort, eine private Grundschule sowie ein Jugendzentrum.
Das Gebäude des Kindergartens wird heute von der Josef-Gočár-Grundschule als Kantine genutzt.
Den Kindergarten konzipierte Gočár als Verbindungselement zwischen den beiden Schulgebäuden. Er befindet sich in der Mitte, an der Symmetrieachse. Das Gebäude wurde für den Wettbewerb im Jahr 1925 entworfen. Die finalen Entwürfe stammen aus dem Jahr 1927, fertiggestellt wurde der Kindergarten im August 1928. 1937 fand die nachträgliche Einweihung statt. Das Bauwerk ist ein Beispiel für Gočárs Abwendung vom Purismus hin zum Funktionalismus, es ließe sich sogar vom Umschwung zum Funktionalismus sprechen. Seine Ausmaße sind eher klein, jedoch besticht das revolutionäre Bauwerk durch die Größe seines Konzepts. Es ist Gočárs erstes großes Werk, dem er seine längste, wertvollste zugleich letzte Schaffensphase begonnen hatte. Das Haus des Kindergartens unterscheidet sich als einziges von den umliegenden Schulgebäuden. Es besitzt kein Sichtmauerwerk, sondern eine Konstruktion aus Stahlbeton mit weißer Fassade. Das subtile Erscheinungsbild entstand durch die Kombination von armiertem Beton und Ziegelmauern als Trägerelementen.
Die straßenseitige Fassade ist symmetrisch. Oberhalb der Eingangstür befindet sich eine Platte aus Stahlbeton; sie wird von zwei Säulen gestützt. Die hofseitige Fassade wirkt leicht, durch überdachte Galerien rund um den mittleren, bogenartigen Teil. Anschließend daran befinden sich Sonnenterrassen mit Rohrgeländer eine Treppe an beiden Seitenflügeln. Der pavillonartige Bau wird von fünfzehn Säulen gestützt.
Zwischen den beiden Terrassen ragt ein runder Bogen empor, hinter dem sich das Spielzimmer befand. Dieses konnte an sonnigen Tagen zur Gänze geöffnet werden, sodass sich die Kinder beinahe komplett im Freien befanden. Der tschechische Fotograf Josef Sudek war begeistert von dieser Schule, bereits im Jahr ihrer Fertigstellung fertigte er einige Aufnahmen von dem Gebäude an.
Vielleicht ist es gerade die Nähe des Gebäudes zum Wasserkraftwerk, das den Eindruck erwecken ließe, dass ein Dampfer voller Kinder soeben hier Halt machte. Dieser Eindruck wurde teilweise zerstört – durch den Abriss des Kamins der Zentralheizung, der dem Kamin eines Dampfers ähnelte und fünfzehn Meter über das Dach hinaufreichte. Auch die Wasseroberfläche des Schwimmbeckens, das unterhalb der Terrasse geplant war, hätte den maritimen Charakter des Gebäudes unterstützen sollen. In den zwanziger Jahren assoziierte man eine Wasseroberfläche mit dem Meer. Sie hätte die Sehnsucht wecken sollen, den Atlantik auf einem Dampfschiff zu überqueren – einem Fahrzeug, das der progressiven Architektur der 20er Jahre als Vorbild diente. Auch die gläserne, runde Terrasse des Gebäudes passt ins Bild: Sie erinnert an die Kabine des Kapitäns.
Im Eingangsbereich befindet sich zu beiden Seiten ein Klassenzimmer mit dazugehörigem Kabinett, beim Kabinett links ein Waschbecken und ein WC. Hinter den Klassenzimmern liegt das halbkreisförmige Spielzimmer mit hofseitig ausgerichteter Terrasse. Im Spielzimmer befand sich ein Parkettboden. Die Innenausstattung des Kindergartens hat der Architekt Josef Gočár persönlich entworfen.
Nach Marie Benešová bildet der Kindergarten den Höhepunkt von Gočárs „Umschwung zum Funktionalismus“, es handelt sich um jenes Werk, das Gočárs längste Schaffensphase einleitete.
Seit dem Jahr 1985 wird der Kindergarten als Schulkantine genutzt. Zu diesem Zweck wurden die Innenräume umgebaut, auch äußerlich kam es zu Eingriffen wie dem Abriss des Kamins. Im zentralen Teil des Gebäudes befindet sich heute die Essensausgabe, der Essbereich liegt im ehemaligen Spielzimmer. Die überdachte Galerie im hofseitig gelegenen Teil und die Seitenflügel wurden verglast.
ZH
Das Objekt der Grundschule ist seit 1964 unter der Registernummer 25821/6-542 als Kulturdenkmal eingetragen; es befindet sich im denkmalgeschützten Bereich der Stadt (MPZ). Das Objekt des ehemaligen Kindergartens ist seit 1964 unter der Registernummer 28248/6-543 als Kulturdenkmal eingetragen; es befindet sich im denkmalgeschützten Bereich der Stadt (MPZ).
- Archiv architektury a stavitelství Národní technické muzeum Praha, fond Josef Gočár, ev. č. 14, Obecné a občanské školy chlapecké a dívčí v Hradci Králové (1926–1928, 1932), pol. 135/a
- Státní okresní archiv Hradec Králové, fond Obecné a měšťanské školy
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Alois Kubíček, K pracím Josefa Gočára, Styl, 1926–1927, VII (XII)
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Rudlf Jordán Vonka, Nizozemské školy, Stavitel 1927, VIII, s. 49–58
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Daniela Karasová; Jiří Kotalík; Zdeněk Lukeš; Pavel Panoch, Josef Gočár, Praha 2010, s. 142–147, 148–153
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Jakub Potůček, Hradec Králové: Architektura a urbanismus 1895–2009, Hradec Králové 2009, s. 70–73
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Ladislav Zikmund-Lender, Struktura města v zeleni: Moderní architektura v Hradci Králové, Hradec Králové 2017, s. 173, 189, 195