Josef Gočár realisierte einige seiner ersten Aufträge in Hradec Králové. Dabei handelte es sich um Regulierungen und Fertigstellungen von Häusern, die er zusammen mit dem Baumeister František Josef Černý in den Jahren 1903–1905 vornahm. Ein Beispiel dafür ist das Mietshaus mit der Konskriptionsnummer 238. Zu diesen frühen Realisierungen Gočárs schrieb der Kunsthistoriker Karel Boromejský Mádl: „schöne Harmonie der Formen, harmonische Kohäsion im Entwurf der Fassade, eine Art Vereinigung von ernsthafter künstlerischer Echtheit mit einem klaren Geist jungen Schaffens; Eigenschaften, die auch die genannten Schüler Kotěras auszeichnet.“ Zdeněk Wirth bezeichnet dieses Engagement als „jugendliches Debut“. Gočár entwarf an Stelle des ehemaligen einstöckigen Gebäudes, von dem nur das Fundament blieb, ein zweistöckiges Haus mit zwei Giebeln. Die Dekoration der Fassade ist anders als beim Haus mit der Nr. 349 flächig, sondern etwas plastischer. Das Kranzgesims wurde durch zwei Giebel unterbrochen, unter dem Gesims und in der zentralen Achse der Fassade wurde ein ornamentales Fries angebracht. Die Felder zwischen den seitlichen Doppelfenstern im ersten und zweiten Stock sowie zwischen den einfachen Fenstern in der Mittelachse wurden mit plastischen geometrischen Feldern gefüllt. Oberhalb der Fenster befand sich ein Gesims, unterhalb ein einfaches Fensterbrett mit Konsole. Im Erdgeschoss befanden sich zwei kleine Geschäftslokale, die Auslagen waren aus Holz. Das Erdgeschoss wurde von beiden Seiten durch eine Konsole mit Stuckplastik abgeschlossen.
Der Bau des Gebäudes begann im September 1903 und dauerte bis zum Juli des darauffolgenden Jahres. Das Haus gehörte Anna Fultnerová. Im Erdgeschoss befanden sich Geschäftslokale, in jedem Stockwerk zwei Wohnungen.
1934 wurde das Gebäude im Erdgeschoss umgebaut, wobei die Fassade geändert wurde. Zu jener Zeit befand sich das Haus im Eigentum von Alois und Matylda Vanický. Bei der Adaptation der Fassade wurde der dekorative Entwurf Gočárs verdeckt, dabei entstanden zwischen den Fenstern senkrechte Lisenen aus Kratzputz in grüner Farbe und Kacheltäfelung in Grau. Die Rahmung der Fenster wurde in Kunststein mit Granitmusterung ausgeführt. Die Verkleidung der Mauer bei der Aufstockung wurde in ziegelroten Fliesen durchgeführt. Auch die Auslagen der Geschäftslokale wurden rekonstruiert. Die Änderungen führte Bauingenieur Stanislav Novotný zusammen mit dem Maurermeister František Forejtek aus. Die Fassade aus dem Jahr 1934 ist bis heute unverändert erhalten geblieben.
Kateřina Okounová, LZL
Das Mietshaus von Anna Fultnerová befindet sich im denkmalgeschützten Teil der Stadt Hradec Králové.
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Karel Boromejský MÁDL, Z Hradce Králové, Národní listy, 1905, příloha k č. 291, s. 13
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Zdeněk Lukeš; Pavel Panoch, Ve víru modernosti: Architektura 20. století v Královéhradeckém kraji. Pardubice 2008, s. 157
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Jakub Potůček, Hradec Králové: Architektura a urbanismus 1895–2009, Hradec Králové 2010
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Zdeněk Lukeš; Pavel Panoch; Daniela Karasová; Jiří T. Kotalík, Josef Gočár, Praha 2010, s. 18–19
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Ladislav Zikmund-Lender, Urbanismus a architektura XX. století, in: Kol. aut., Hradec Králové: Historie/Kultura/Lidé, Praha 2017, s. 683–684