Zusammen mit dem Eckhaus mit der Konskriptionsnr. 349 handelt es sich bei diesem Mietshaus um das erste realisierte Projekt von Josef Gočář, Schüler des berühmten Architekten Jan Kotěra. Dieser war in den Jahren 1904 und 1905 in Hradec Králové tätig, wo er die Fassade des Mietshauses der Nr. 407 entwarf, das sich heute an der Adresse ulice Bratří Čapků (ehemals ulice Magdalény Dobromily Rettigové) befindet. Baumeister und Bauherr war der lokale Unternehmer František Jaroslav Černý.
Das ursprünglich einstöckige Reihenhaus mit dem exzentrischen Giebel, einem Pilastersystem und Bossenwerk wurde um eine Etage aufgestockt, wodurch die Fassade vertikalen Charakter erhielt und sich die Komposition des straßenseitigen Erscheinungsbildes zur Gänze veränderte. Die neue Fassade im Jugendstil wurde entworfen mit symmetrischen Achsen, einem Risalit in der Mitte, zwei Treppengiebeln, einem ornamental verzierten Balkongeländer und einer schmiedeeisernen Eingangstür mit halbkreisförmigem Abschluss. Ein markantes Element der Fassade sind die Sgraffiti mit Blumenmotiven, eine Technik, die Kotěras Studierende Anfang des 20 Jahrhunderts erneut verwendeten. Die Plastizität der Fassade wird von den Gesimsen oberhalb der Fenster geformt. Die Fenster im Risalit werden durch einen hölzernen Rahmen entzwei geteilt, im oberen Teil gedrittelt. Auf einer Ansichtskarte aus dem Jahr 1909 sind Balkone dargestellt, die nicht realisiert wurden.
Die einfache Anordnung des Mietshauses bleib erhalten. Das Gebäude verfügt über ein Satteldach, die Dachkonstruktion wurde im traditionellen Stil ausgeführt, dem sog. stehenden Dachstuhl, wo die länglichenen Pfetten von zwei Pfosten mit Stuhlsäulen getragen werden. Im Inneren des Hauses befindet sich ein schachtförmiges Treppenhaus, das durch einen Risalit an den rechteckigen Grundriss anschließt. Vom Treppenhauses sind die einzelnen Wohnungen zugänglich. Sanitärräume und Küche liegen hofseitig, die Wohnräume hingegen straßenseitig. Jedes Stockwerk verfügt über zwei Wohneinheiten. Im Souterrain befanden sich gewölbte Räumlichkeiten, die als Lagerräumlichkeiten dienten.
Ondřej Seďa
Das Mietshaus von F. J. Černý II. befindet sich im denkmalgeschützten Teil der Stadt Hradec Králové.
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Zdeněk Lukeš; Pavel Panoch: Ve víru modernosti: Architektura 20. století v Královéhradeckém kraji. Pardubice 2008
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Jakub Potůček, Hradec Králové: Architektura a urbanismus 1895–2009, Hradec Králové 2010, s. 24
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Jaroslava Divišová: Encyklopedie města Hradce Králové. Hradec Králové: Garamon, 2011
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Ladislav Zikmund-Lender, Urbanismus a architektura XX. století, in: Kol. aut., Hradec Králové: Historie/Kultura/Lidé, Praha 2017, s. 683–684