Josef Murda wurde als jüngstes von sieben Kindern in einer Bauernfamilie im westböhmischen Mostiště u Radnic geboren. Seine Eltern waren Josef Mudra (1853–1917) und Josefa Mudrová (1856–1946), geborene Vyčichlová. Nach seinem Schulabschluss in Radnice ging Mudra nach Prag, wo er an der Tschechischen Technischen Hochschule das Fach Landvermessung studierte. Wegen seiner künstlerischen Begabung und seines unternehmerischen Geistes begann er jedoch als Baumeister und Architekt zu arbeiten. Ab 1922 war er als professioneller Bauingenieur tätig, kurz danach ging er nach Hradec Králové. Seine Frau war Kamila Mudrová, geborene Kubecová; das Paar heiratete am 5. Juli 1924.
Josef Mudra realisierte zwischen 1923 und 1926 eine beachtenswerte Vielzahl an Bauwerken. Ein großer Teil davon befindet sich im Stadtviertel Pražské Předměstí. Vermutlich stand Mudra in gutem Verhältnis zu Jan Kotek, dem Bürgermeister der Gemeinde, wovon zahlreiche Realisierungen der Gemeinde zeugen. Die erste war das Gemeindehaus im Viertel Pražské Předměstí mit Stadtamt, Bücherei und Polizeiwache. Es ist nicht klar, um welches Objekt es sich dabei handelte: Es konnte sich um das adaptierte Gebäude in der Habrmanova handeln, über das in der Chronik der Gemeinde aus dem Jahr 1924 folgendes geschrieben wird: „In dieser Straße befindet sich auch das Gemeindeamt mit Polizeiwache, die noch kein eigenes Gebäude hat. Zuvor (bis ins Jahr 1919) war sie im Gemeindehaus in der Chelčického untergebracht, doch als die Agenda stieg und das eine kleine Zimmer nicht mehr genug war, wurden in einem Gebäude in der Školská zwei Zimmer für das Gemeindeamt und ein Zimmer für die Polizeiwache in der Školská angemietet.“[1] Eine andere Möglichkeit wäre die Adaptierung der Sokol-Turnhalle in der Chelčického. Diese wurde 1924 erweitert und 1939 erneut umgebaut. Die Sokol-Chronik berichtet folgendermaßen darüber: „Im Jahr 1924 wurde um 20.000 Kronen ein Umbau vorgenommen, um Garderoben, einen kleinen Saal und ein Marionettentheater zu errichten.“ [2] Bis 1925 hatte in der Sokol-Turnhalle, die auch als Gemeindehaus bezeichnet wurde, die Bücherei ihren Sitz, danach wurde sie im Objekt des umgebauten und erweiterten Gemeindeamts in der Habrmanova untergebracht. Diese Situation dauerte nur sehr kurz, denn alle Gemeindeabteilungen wurden bald darauf im neuen Rathaus konzentriert und im Gemeindehaus an der Adresse Sukovy sady untergebracht, das in den Jahren 1926–1927 nach Plänen des Architekten Jaroslav Stejskal realisiert wurde. Das zweite Gemeindehaus ist ein einstöckiges Wohnhaus in der Nerudova, Konskriptionsnr. 35. Es entspricht Mudrovas Aufmerksamkeit für die Architektur des modernen Dekorativismus – die Fassade ist horizontal gegliedert durch vertiefte Auskleidung um die Fenster und im Obergeschoss zwischen den Fenstern durch rechteckige Sgraffito-Platten mit Motiven. Drei gewölbte Dachgauben ragen aus dem Dach heraus.
Die 1920er Jahre standen für Mudra im Zeichen der Errichtung eines eigenständigen Projekts in der Vrchlického, wo er auch selbst mit seiner Familie lebte. An diesen Bau schloss ein weiteres Projekt auf dem Grundstück des sog. Srdínko-Gartens (Srdínkova zahrada) an, der von Jan Hostivít Pospíšil gegründet wurde; später bekam ihn seine Tochter Antonie als Mitgift, die später als Lektorin der Rezepte von Magdalena Dobromila Rettigová bekannt wurde. [3] Der Srdínko-Garten gehörte anschließend František Srdínko, dem Stiefvater des Bürgermeister Ulrich. 1924 wurde der Garten aufgelassen und Josef Mudra erhielt den Auftrag, Pläne zur Aufteilung des Grundstücks und der zukünftigen Bebauung auszuarbeiten. Die Bebauung konzentrierte sich in einer neu angelegten Straße, heute Bohuslava Martinů. Zuvor handelte es sich dabei um eine Achse des Srdínko-Gartens. Mudra selbst entwarf hier ein Doppel-Wohnhaus, die Objekte in der Bozděchova 654 und 655, bei deren Bau er den Formstein Isostone verwendete, den er patentieren ließ, sowie ein beachtenswertes Tonnendach, getragen von einem hölzernen Lamellenholz. In Hradec Králové befindet sich noch eine weitere Realisierung Mudras: die Transformatorenstation in Nové Hradec Králové, die an der Kreuzung der Hlavní und Husova stand. Es handelt sich um ein atypisches Objekt, denn in dieser Zeit wurden die Trafostationen bereits einheitlich typisiert gebaut. In der nahegelegenen Gemeinde Stěžery entwarf Mudra einen An- und Aufbau und für den Fabrikanten Emil Schulz (Konskriptionsnr. 130). Mudra entwarf ein Obergeschoss für das Haus im Stil der Neorenaissance und gestaltete die Fassade im Stil des Art déco. Kannelierte Säulen, dekorative Reliefs mit Putti in den Feldern zwischen den Fenstern, eine Balustrade zwischen Erdgeschoss und erstem Stock sowie Volutengiebel an beiden Ecken stechen hervor. Dem Werkverzeichnis ist zu entnehmen, dass Mudra 1922–1923 außerhalb von Hradec Králové noch Häuser für die Baugenossenschaft in der Stadt Velké Poříčí nad Metují realisierte, vermutlich handelt es sich dabei um zwei Mietshäuser (Konskriptionsnr. 45 und 46) auf dem Hauptplatz.
Ab 1925 entwickelte Mudra den Formstein Isostone weiter, den er auch beim Bau einiger Einfamilien- und Reihenhäuser in Hradec Králové verwendete. In den 1930er Jahren erhielt der Architekt einige Patente: für den hohlen Formstein Isolar I (1931), das Isolierungssystem Isolar II (1932), die fünf Zentimeter dicke Querlatte Isolar III (etwa 1932), den Deckenformstein Islar IV (1933), den Pflasterstein Ideal (1934), einen tragenden Deckenformstein (1936) und für einen Dachziegeltyp (1938). [4] Die Systeme wurden in zahlreichen baulichen Realisierungen in der gesamten Tschechoslowakei angewandt, auch von den bedeutendsten Architekten und Baumeistern. Man findet sie beispielsweise bei Projekten wie dem Kurhotel in Trenčianske Teplice (entworfen von Jaromír Krejcar), der Sparkasse in Havlíčkův Bord (entworfen von František Albert Libra), den Frauenwohnheimen in Prag-Smíchov (entworfen von Josef Hlaváček), dem Realgymnasium in Prag-Dejvice (entworfen von Evžen Linhart), den Häusern von der Genossenschaft der Angestellten des Allgemeinen Geldinstituts (entworfen von Josef Havlíček und Karel Honzík) sowie bei zwei Realisierungen der Büros von Jindřich Freiwald und Jaroslav Böhm: dem Gebäude für das Personal im Sanatorium Prag-Podolí und einem Gebäude der Fabrik Avia in Prag-Vysočany. [5]
Die eigene Villa des Architekten zeugt davon, dass Mudra Lehren aus den progressiven Tendenzen in der Architektur der späten 1920er und frühen 1930er Jahre zog. Sie wurde 1936 in Prag errichtet, an der Adresse Nad Šárkou 1695. Die glatte Fassade des Hauses wird von großen Fenstern durchbrochen, die Balkone mit Röhrengeländer erinnern an jene des Dormitoriums der Bauhaus-Schule in Dessau, und eine horizontale, verglaste Fläche beleuchtet das dreistöckige Treppenhaus. Bei der Villa handelt es sich jedoch nicht um eine avantgardistische Ausstellung, sie hat auch traditionelle Elemente: ein Walmdach und einen Risalit aus Sichtmauerwerk, der in den Garten reicht.
LZL
(Basierend auf der Biographie von Kamila Matoušková)
Anmerkungen:
[1] SOkA Hradec Králové, Pražské Předměstí, městská kronika. Dank an Mgr. Jan Košek zur Verfügungstellung der Materialien.
[2] Pamětní list vydaný na oslavu čtyřicetiletého trvání tělocvičebné jednoty Sokol na Pražském Předměstí, 1895–1935, Hradec Králové 1935. S. 19–20. Dank an Mgr. Jan Košek zur Verfügungstellung der Materialien.
[3] Vgl. Osvěta lidu, 1924, Nr. 77, 29. 11. 1924, S. 3, Dank an PhDr. Jaroslava Pospíšilová zur Verfügungstellung der Materialien.
[4] Nach dem auf Basis des Werkverzeichnis von Doc. Kamila Matoušková zusammengestellten Lebenslauf.
[5] Ebd.
čp. (číslo popisné) – Konskriptionsnummer, ein während der Monarchie eingeführtes System der Nummerierung von Gebäuden (im Unterschied zur Orientierungs- bzw. Hausnummer)
1922–1923
Häuser der Baugenossenschaft, Velké Poříčí nad Metují (nicht identifiziert, vermutlich die Mietshäuser čp. 45 a 46)
1923–1924
Mietshaus, Hradec Králové, Pospíšilova tř. (nicht identifiziert)
1924
Gemeindehaus mit Amtsräumen und Polizeiwache, Hradec Králové-Pražské Předměstí, um 1924 (nicht identifiziert, evtl. čp. 201)
Doppelhaus von Ing. Kněžek und Ing. Lehovec, Hradec Králové, um 1924 (nicht identifiziert)
Gemeindehaus, Hradec Králové-Pražské Předměstí, Nerudova, čp. 35
Zu- und Aufbau des Hauses des Fabrikanten Emil Schulz, Stěžery, čp. 130
1926
Dreiparteienwohnhaus für Herrn Kunt, Hradec Králové-Pražské Předměstí (nicht identifiziert)
Dreiparteienwohnhaus, Hradec Králové-Pražské Předměstí (nicht identifiziert)
1926–1928
Bauplan für den Srdínko-Garten, Hradec Králové-Pražské Předměstí
Doppelwohnhaus auf dem Gebiet des ehem. Srdinko-Garten, vermutlich Bozděchova čp. 654 und 655
1936
Eigene Villa, Praha 6, Nad Šárkou čp. 1695
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Pavel Vlček (ed.), Encyklopedie architektů, stavitelů, zedníků a kameníků v Čechách, Praha 2004, s. 438