Evžen Linhart

Evžen Linhart, auch Eugen Linhart, studierte 1918–1924 Architektur bei Antonín Engel an der Tschechischen Technischen Hochschule in Prag. Nach seinem Studienabschluss wurde er Teil der avantgardistischen Künstlervereinigung Devětsil, wo er mit weiteren Architekten – Jaroslav Fragner, Karel Honzík und Vít Obrtel – das sogenannte Puristische Quartett bildete. Vít Obrtel schrieb über die Grundlagen dieser Gruppe: ihr Ziel war es, „die Welt der Freibäder, aber auch der zweckdienlichen Industrieprodukte, die Welt der Hauptstraßen mit Kaffeehäusern und Reklamen und die Welt der Bahnhöfe und Häfen, die Welt der sonntäglichen Zusammenkünfte bei Grog und Grammophon, bei denen die Brunnen in den Gärten plätschern und ein Lampion nach dem anderen aufleuchtet“ [1] zu erfüllen.
 

Eines der ersten realisierten Projekte Linharts war das sog. Lehrerhaus in Prag-Hostivař, Konskriptionsnummer 371 in der Straße Pod Plískavou, in dem er seine Vorstellung eines Kollektivhauses mit Atrium realisierte. [2] Das dreigeschossige Gebäude in Hanglage umfasste kleine Wohnungen für Lehrer und ihre Familien sowie für ledige Lehrerinnen auf zwei Geschossen. Die vertikale Verbindung der Geschosse bildeten zwei gegenüberliegende Treppenhäuser, die durch das Atrium in der Mitte verbunden wurden. Im letzten Obergeschoss befanden sich die gemeinsam genutzte Waschküchen, Trockenräume, ein Aufenthaltsraum und vier Terrassen. Dieses originelle Konzept wurde zum Prototyp von Linharts Kollektivhäusern – eine Grundeinheit, die ihren Gemeinschaftscharakter beibehalten sollte, die aber in unbegrenzter Zahl hintereinander angeordnet werden konnte, um damit ganze Straßenblöcke zu bebauen. Mit diesem Prinzip experimentierte Linhart in den darauffolgenden Jahren in Prag-Žižkov; Beispiele dafür sind das fünfstöckige Gebäude mit Loggien und zwei Atrien in der Radhošťská 1623 und in einem kleineren Ausmaß das Gebäude in der Jičínská 1775, das aber weder ein Atrium noch Loggias besitzt. Ein noch progressiveres Konzept des Atriumhauses plante er für ein Wohnhaus in Prag-Holešovice, für das er vier innenliegende Atrien mit fünf Treppenschächten vorgesehen hatte, was allerdings nicht realisiert wurde. In den Jahren 1927–1929 konzipierte der Architekt eine eigene Villa im Viertel Hanspaulka in Prag-Dejvice. Diese funktionalistische Villa entspricht dem Muster-Haus des tschechischen Werkbunds für das Stadtviertel Baba. Dort realisierte Linhart zusammen mit Antonín Heythum eine Villa in Hanglage (Konskriptionsnummer 1710), die sich durch ein symmetrisches Äußeres mit einem gegliedertem Glasband aus Loggien auszeichnet. Zum Jahreswechsel 1927–1928 nahmen Linhart und Obrtel an einem Architekturwettbewerb für die Kirche des Hl. Wenzel in Prag-Vršovice teil, die sie als verglastes Oval mit einem quadratischen Peristyl entwarfen. Den Wettbewerb gewann das Projekt von Josef Gočár, das in den Jahren realisiert 1929–1930 wurde. Anfang der 1930er Jahre konzipierte Linhart einige funktionalistische Einfamilien- und Mehrparteienhäuser. Ende der 1930er Jahre wurde das Französische Lycée in Prag-Dejvice nach Plänen des Architekten errichtet. Es verfügt über einen Skelettbau aus Stahlbeton, was die Anbringung von Fensterzeilen ermöglichte. So gelangte ausreichend Tageslicht in die Klassenzimmer und Gänge. 1938 beteiligte sich Linhart zusammen mit František Hofman an einem Architekturwettbewerb für den Neubau der Sparkasse Hradec Králové am Eliščino nábřeží. [3] Linhart und Hofman kooperierten an einigen Aufträgen, darunter das Mehrparteienhaus der Ärztin Vilma Gottwaldová-Felkelová in Hradec Králové. [4] Zusammen mit Václav Hilský projektierte Linhart ein Kollektivhaus in Litvínov, dessen Westflügel noch zu Lebzeiten des Architekten errichtet wurde. Fertiggestellt hat man das Haus erst im Jahr 1958.
 

LZL   
 

Anmerkungen:

[1] Vít Obrtel, Renesance [Renaissance], Tam-Tam: Hudební leták, 1926/6, S. 3–4.

[2] Stavba, Jg. 1925–1926, S. 191

[3] Ladislav Zikmund-Lender, „Odzvání se starým formám“: Spořitelna královéhradecká jako agent na poli meziválečné architektury v Hradci Králové, Královéhradecko, Jg. 13/2022, S. 163–188, hier S. 180

[4] Ladislav Zikmund-Lender, Struktura města v zeleni: Moderní architektura v Hradci Králové, Hradec Králové 2017, s. 181