Sander studierte Bauingenieurswesen an der Technischen Hochschule in Prag und arbeitete anschließend als Assistent am Lehrstuhl bei Professor Jiří Pacold. Ab 1907 war er Professor an der staatlichen Industrieschule in Smíchov, wo er 1919 Abteilungsleiter wurde. Er tat sich als großartiger Zeichner und Designer hervor und gewann auch als Lehrer an Popularität. Sein früher kreativer Ausdruck basierte auf einer gründlichen Kenntnis der Formenlehre historischer Stile, die er eklektisch interpretierte und seinen Gebäuden romantische Gestalt einhauchte. In diesem Sinne wurden zum Beispiel die Umbauten der mittelalterlichen Brauerei U Fleků durchgeführt, in denen er malerische Holzbrücken, Pawlatschen und Nebengebäude in den Innenhöfen schuf. Als Experte für Tischlerkonstruktionen entwarf er auch Innenräume, die vom Maler Láďa Novák mit Wandgemälden verziert wurden. Zugleich wurde ihre Zusammenarbeit im historistischen Stil beim Restaurant U Glaubiců im Prager Stadtviertel Malá Strana (Kleinseite) fortgesetzt. 1906 baute er eine Villa in Luhačovice für den Baurat von Alois Samohrd. Das Haus mit vielen neugotischen Elementen, darunter ein turmartiges Ende, wurde mit Nováks Sgraffito nach Gemälden von Mikoláš Aleš dekoriert.
Sander wurde bald von den dekorativen Elementen des Jugendstils beeinflusst und arbeitete sich allmählich bis zur gemäßigten Moderne vor. Seine architektonische Tätigkeit beruhte hauptsächlich auf seiner Mitgliedschaft in der Kommission für Kanalisation der Elbe und der Moldau. Er war Autor verschiedener Bauprojekte, die vor dem Ersten Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit an den Flüssen stattfanden. Er entwarf Wasserkraftwerke, Schleusen, Wehre, Flussbrücken und weiteres. Sanders Projekte und auch seine nicht realisierten Entwürfe zeichneten sich durch ein unkonventionelles Konzept aus, das sich auf nautische Symbolik bezog ¬– ihre Formen ähnelten fast immer Schiffen, Leuchttürmen oder Häfen. Die dekorative Komponente, die aus der Verwendung von Stein-, Eisen- und Betonstrukturen, verschiedenen Oberflächenmaterialien, verschiedenen Zierelementen und Farben bestand, gab ihnen ebenfalls eine spezifische Erscheinung. Mit seinem Ansatz formte er nach und nach einen originellen Stil für die künstlerischen Formen von Gebäuden für Wasserwirtschaft, bei dem moderne Betriebsfunktionen mit nostalgischem Aussehen kombiniert wurden. In Hradec Králové projektiere Sander in den Jahren 1909–1912 den Bau eines neuen Wehrs samt Wasserkraftwerk an der Elbe, bei dem die technische Jugendstil-Ästhetik ihren Höhepunkt auf tschechischem Gebiet erreichte. Der Architekt knüpfte in den Jahren 1913–1915 an diesen Bau an, als er an der Orlice ein schmaleres und weniger dekoratives Kraftwerk entwarf. In den Jahren 1911–1912 wurde außerhalb der Stadt eine dynamisch geformte und im Jugendstil dekorierte Brücke über die Elbe zwischen den Siedlungen Plácky und Věkoše nach Sanders Entwürfen gebaut. Die Besonderheit von Sanders Arbeit kann auch unweit des Schwimmbades in Hradec Králové gewürdigt werden, wo sich eine kleine Brücke aus dem Jahr 1914 über das ehemalige Bett des Piletický-Baches wölbt.
In den 1920er Jahren widmete sich Sander lange Zeit den Umbauten der Jüdischen Insel (Židovský ostrov) am Kai des Prager Stadtviertels Smíchov. Er reiste für sein Leben gerne und besuchte viele Länder in Europa, Amerika und Asien. Aus den USA holte er sich offensichtlich Inspiration für die modernen Lösungen der technischen Komponenten seiner Gebäude. Er starb an einem Schlaganfall, der ihn traf, als er den Bau seines eigenen Hauses überwachte. Man erinnerte sich an ihn als „einen eigentümlichen, direkten Mann, einen Architekten aus einer Generation ehrlicher Arbeiter bzw. Techniker“.[1]
MP
Anmerkungen:
[1] Architekt Frant. Sander. In: Národní listy LXXII, 1932, 12. 1., Nr. 12, S. 3
čp. (číslo popisné) – Konskriptionsnummer, ein während der Monarchie eingeführtes System der Nummerierung von Gebäuden (im Unterschied zur Orientierungs- bzw. Hausnummer)
1900–1905
Umbauten der Brauerei U Fleků, Křemencova čp. 183, Praha
1903
Wehrbrücke, Miřejovice
1905
Schleuse, Hořín
1905
Hafengebäude, Praha, Jankovcova ul.
1906
Villa Samohrd, Leoše Janáčka čp. 270, Luhačovice
1910
Brücke über die Elbe, Roudnice nad Labem
1911
Villa, Praha-Bubeneč, Slavíčkova čp. 361
1911
Erweiterung der Sokol-Turnhalle, Žitná čp. 1438, Praha
1911–1913
Haus für den Bootsmann, Praha, Insel Štvanice
Wasserkraftwerk, Praha, Insel Štvanice
1913–1915
Städtisches Wasserkaftwerk an der Orlice, Hradec Králové
1915
Regulierung des nördliches Teils der Judeninsel (heute Kinderinsel/Dětský ostrov), Praha-Smíchov
1924–1928
Regulierung des Kais, Schleusen und Dämme, Praha-Smíchov
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Architekt Frant. Sander, Národní listy, 1932, roč. LXXII, č. 12, 12. 1. 1932, s. 3.
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Marie Benešová, Česká architektura v proměnách dvou století, Praha 1984, s. 264.
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Zdeněk Lukeš, Lodě na pevnině. In: Technický magazín, 1987, č. 12, s. 34–39.
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Rostislav Švácha, Od moderny k funkcionalismu, Praha 1994, s. 510, 514, 550.
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Pavel Vlček (ed.), Encyklopedie architektů, stavitelů, zedníků a kameníků v Čechách, Praha 2004, s. 572.
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Jakub Potůček, Hradec Králové: Architektura a urbanismus 1895–2009, Hradec Králové, 2010.
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Pavel Panoch, Hradec Králové: průvodce po architektonických památkách od středověku do současnosti, Praha, 2015.