Milada Pavlíková ist in der südböhmischen Stadt Tábor aufgewachsen, in einer Familie mit „fortschrittlichem Gedankengut und Zielstrebigkeit“. Diese Werte vertraten sowohl Miladas Vater Josef Pavlík (Oberarzt bei den Eisenbahnen und städtischer Hygieneinspektor, Vorsitzender des Vereins für die Errichtung eines Hus-Denkmals in Tábor, der sich im Zuge der Nationalen Wiedergeburt für das tschechische Volk einsetzte und außerdem Expertise im Kulturbereich aufwies) als auch die weiblichen Mitglieder der Familie Pavlík, die Tanten mütterlicherseits – Anna Honzáková, die erste tschechische Ärztin, und Albína Honzáková, Professorin am klassischen Mädchengymnasium Minerva und langjährige Kollegin der Schriftstellerin und Übersetzerin Eliška Krásnohorská. Beide Tanten lieferten Milada ein Beispiel im Kampf um die Gleichberechtigung von Frauen und galten durch ihre Lebensweise und ihre berufliche Tätigkeit als wichtige Inspirationsquelle für das Mädchen. Albína Honzáková war unter anderem auch Miladas Klassenlehrerin am Minerva-Gymnasium. „Die Mädchen lieben unsere Klassen- und Geschichtelehrerin.“, schrieb Milada über ihre Tante. „Auch ich fühle mich mit ihr verbunden – nicht nur, weil wir verwandt sind, sondern auch, weil ich ihr sehr dankbar bin, dass sie meine Lehrerin ist und weil ich in ihr einen Menschen gefunden habe, dessen edler Charakter mich in meiner Jugend stark inspiriert hat.“
Die Jahre am Prager Gymnasium und insbesondere der Geschichtsunterricht beeinflussten die künftige Ausrichtung der jungen Frau, die später zur ersten tschechischen Architektin wurde: „Historische Ausführungen verbanden wir mit Exkursionen in Museen und Kunstausstellungen, wie etwa in die Galerie Mánes, in alte Prager Palais oder in private Gärten. Wie gern habe ich daran teilgenommen! Der Eindruck eines solchen Kunstwerks, sei es Malerei, Architektur oder etwas anderes, wurzelte in mir und wirkte. Ich begann zu lernen, die Schönheit der Werke zu schätzen und sie mit meiner ganzen Seele wahrzunehmen. Ich denke, diese Eindrücke lieferten einen wichtigen Beitrag in Bezug auf meine späteren Entscheidungen und meine spätere Laufbahn – als Absolventin eines klassischen Gymnasiums traf ich eine ungewöhnliche Wahl. Doch schien mir Architektur das schönste Fach zu sein; es gefiel mir wegen des breiten Tätigkeitsbereichs und aufgrund der Tatsache, dass alle schönen Künste darin zu einem Ganzen verschmelzen konnten. “
Um ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet zu vertiefen, besuchte Milada Pavlíková auch Vorlesungen über Kunst, organisiert von Vereinen wie Osvětový svaz (dt. „Verbund für Aufklärung“) oder Umělecká beseda (dt. „Künstlervereinigung“), die unter anderem von Zdeněk Wirth und Václav Vilém Štech gehalten wurden. Nach ihrem Schulabschluss im Jahr 1914 entschied sie sich für den nächsten Schritt, um Architektin zu werden. Der Weg war jedoch nicht einfach, da Frauen das Studium an einer Technischen Universität damals untersagt war. Sie studierte zunächst als außerordentliche Hörerin – ohne die Aussicht, einen Titel zu erlangen. Über diese Erfahrungen notierte sie folgendes: „Auf Vermittlung meines Vaters an fortschrittliche tschechische Professoren an der Karlsuniversität wurde ich als Privathörerin an der Technischen Universität zugelassen. Dank des Wohlwollens der Professoren konnte ich ab Herbst 1914 im gleichen Ausmaß wie die Vollzeitstudenten studieren, die mich kollegial aufgenommen hatten. [...] Ich habe Vorlesungen besucht, Entwürfe erstellt, Projekte bearbeitet, Prüfungen erfolgreich bestanden und vier Jahre lang Privatzeugnisse ohne Stempel erhalten. Ich habe wiederholt beim Kultusministerium und beim kaiserlichen Rat in Wien eine Vollzeitstudienerlaubnis beantragt, und wurde dabei vom Dekanat und dem Rektorat der Technischen Universität in Prag sowie durch den kaiserlichen Rat Prof. Smrčka aus Brünn unterstützt. Ich war eine Art Einzelfall, eine „Rarität“ an einer Technischen Universität, ich erhielt ungültige Zeugnisse. [...] Heute staune ich über meine Kühnheit und bewundere meinen Optimismus, aber es war eine Art Besessenheit, die zur treibenden Kraft meines Studiums wurde. “
Erst Ende 1918 wurde Milada Pavlíková als ordentliche Studierende zugelassen, damals wurden ihr auch alle zuvor abgelegten Prüfungen anerkannt. Knappe drei Jahre später, nach erfolgreichem Bestehen der Staatsprüfung (abgelegt mit Auszeichnung am 18. Juni 1921), wurde sie zur ersten diplomierten Architektin in Tschechien. Der Wandel der Zeit und der Sozialnormen geht aus dem Protokoll der Kommission hervor – in dem Formular wurden nicht nur die Buchstaben „k. und k.“, sondern auch die Anrede „Herr Kandidat“ durchgestrichen.
Nach dem Abschluss ihres Studiums nahm Milada Petříková-Pavlíková (den Namen Petříková nahm sie nach der Heirat mit dem Architekten Theodor Petřík an) ihre Tätigkeit als Architektin auf. Die erste eigenständige Realisierung war ein Haus für alleinstehende Frauen, das ursprünglich als Unterkunft für ältere Frauen und Rentner in der Šolínova-Straße im Prager Stadtteil Dejvice (1922–1934) diente. Im gleichen Zeitraum wurde in der Letohradská-Straße in Prag-Vinohrady das Projekt „Wohnheim der Charlotte Masaryková“ ins Leben gerufen (1928, zus. mit Th. Petřík). „Das Wohnheimprojekt“, heißt es in den Memoiren der Architektin, „[...] ist genauso alt wie mein dritter Sohn. Damals hatte dieses Projekt einen besonderen Reiz für mich, da das Heim teilweise als Notschlafstelle für Mütter mit Kindern konzipiert wurde. Das Projekt liegt mir besonders am Herzen, und ich würde gerne weitere Gebäude dieser Art realisieren.“ Ihr Wunsch wurde weitgehend erfüllt, denn es folgten ein Auftrag für das Vereinshaus und Wohnhäuser des Tschechischen Frauenclubs in Prag (1929–1933, zus. mit Th. Petřík) und später ein Kindergarten mit Kinderkrippe in Prag-Lhotka (1947–1950, zus. mit J. Mayer). Petříková-Pavlíková widmete sich auch der Projektierung von Einfamilienhäusern und Interieurs (z. B. entwarf sie die Innenausstattung des Mädchenwohnheims Budeč in Prag-Vinohrady, 1924), außerdem hielt sie Vorlesungen über Architektur und verfasste theoretische Texte wie Byt samostatné ženy (dt. „Die Wohnung einer alleinstehenden Frau“) oder Bytová kultura (dt. „Wohnungskultur“). Sie publizierte auch einige populärwissenschaftliche Artikel, z. B. zu Themen wie Kinderkrippen oder moderne Einbauküchen. Wie Marie Benešová in ihrer Monographie bereits bemerkt hat, ist im Werk der Architektin kein einziges Projekt zu finden, das sich nicht mit dem Thema Frauen und den damit verbundenen sozialen Problemen, der Kinder- oder Wohnungsfrage befasst. Man könnte behaupten, dass es Milada Petříková-Pavlíková gelungen ist, zwei wichtige Dinge zu erreichen, indem sie die systematische Versorgung zuvor etwas vernachlässigter Bevölkerungsgruppen betonte. Sie bereicherte ihr Gebiet – die Architektur – um neue Perspektiven, Ansätze, Ideen und Konzepte; gleichzeitig trug sie dazu bei, ein besseres Umfeld und bessere Bedingungen für das Leben und die Emanzipation von Frauen – sowohl ihrer Generation und der nachfolgenden – zu schaffen.
KB
čp. (číslo popisné) – Konskriptionsnummer, ein während der Monarchie eingeführtes System der Nummerierung von Gebäuden (im Unterschied zur Orientierungs- bzw. Hausnummer)
1922
Mietshaus in Prag-Holešovice, Přístavní ulice Nr. 55 (čp. 1190) (zus. mit Theodor Petřík)
1922–1934
Häuser der Baugenossenschaft für die Errichtung einer Notschlafstelle für alleinstehende Frauen in Prag-Dejvice, Šolínova ulice Nr. 1 und 3 (čp. 344 und 513)
1923
Einfamilienhaus von Albína Honzáková in Dobřichovice (čp. 206)
1924
Innenausstattung des Mädchenwohnheims Budeč in Prag-Vinohrady (čp. 1982)
1926
Kreditanstalt in Dobrá u Dobrušky
1928
Wohnheim der Charlotte Masaryková in Prag-Vinohrady (zus. mit Theodor Petřík)
1929
Einfamilienhaus in Prag-Dejvice (zus. mit Theodor Petřík)
1929–1933
Vereinshaus und Wohnhäuser des Tschechischen Frauenclubs in Prag, Ve Smečkách Nr. 26 (čp. 594
1949
Erweiterung des Friedhofs in Slivenec (zus. mit Jaroslav Mayer)
1947–1950
Kindergarten und Kinderkrippe des Dr. V. Vacek in Prag-Lhotka, (zus. mit Jaroslav Mayer)
- Archiv ČVUT, fond Česká vysoká škola technická
- Archiv ČVUT, fond Vysoká škola architektury a pozemního stavitelství
- Archiv architektury a stavitelství, Národní technické muzeum v Praze, fond č. 130, Milada Petříková-Pavlíková, Odborná pozůstalost (včetně školních prací)
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[ZP], První česká architektka, Československý architekt, 1975, č. 23–24, s. 10
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Marie Benešová, In memoriam první české architektky, Architektura ČSR, 1985, s. 461–462
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Kol. aut., Povolání: architekt[ka], Praha 2003, s. 52 a 68–70
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Kol. aut., Československé studentky let 1890–1930, Praha 1930, s. 200–203
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Kol. aut., Výroční zpráva o činnosti ČVUT v Praze za rok 2017, Praha 2018, s. 74