Nach dem Abitur in Karlín studierte Václav Weinzettl 1882–1887 Bauingenieurwesen an der Technischen Universität in Prag. Die nächsten drei Jahre arbeitete er für den Architekten Achille Wolf, wo er wie Osvald Polívka an der Umsetzung des Projekts der Hypothekenbank am Prager Senovážné náměstí beteiligt war. 1890 begann er als Assistent an der Fachschule für Skulptur und Steinmetz in Hořice zu unterrichten. Er arbeitete hier zunächst bis 1895, daraufhin legte er die Baumeisterprüfung in Prag ab und bekam eine Stelle als Bauassistent in Wien.
Bereits nach zwei Jahren kehrte Weinzettl zurück nach Hořice und war dort als Lehrer für Architektur- und Baufächer tätig. Ab Juni 1904 leitete der die Schule vorübergehend und im September 1905 wurde er Direktor. Weinzettl blieb schließlich ein Vierteljahrhundert lang an der Spitze dieser Institution, die eine Reihe wichtiger künstlerischer Persönlichkeiten hervorbrachte. Er selbst schuf mehrere Projekte für die Schule, beispielsweise den Pavillon für Skulptur und Steinmetzarbeiten auf der Ausstellung für Wirtschaft, Industrie und Kunst in Hořice im Jahr 1903. Weinzettl verfasste auch mehrere Fachpublikationen über Architektur und Bildhauerei. In seinem späteren Buch „Víra v nové době“ (dt. Glaube an ein neues Zeitalter) förderte er das interreligiöse Verständnis und skizzierte sogar die genaue Form eines ökumenischen Tempels als eine Synthese von Elementen verschiedener Kirchen und Religionen; Weinzettl nannte ihn Tempel der Kultur. Er beschrieb ihn wie folgt: „Der Hauptraum ist groß und hoch, gleichmäßig, ohne Säulen, d. h. mit einer zentralen Kuppel, nicht in Form einer Basilika. [...] Im Hintergrund des Hauptraums, der hinter dem Hörsaal vorgesehen ist, befindet sich eine Gedenkstätte, nämlich ein feuerfestes Gebäude, in dem die wichtigsten Dokumente der Stadt aufbewahrt werden. [...] Oben auf der Gedenkstätte thront das Hauptkunstwerk des Tempels auf einem Sockel, vorzugsweise einer riesigen Statue, die den Gott des Lebens ernsthaft und edel darstellt.“ [1]
Weinzettl ist Autor des Obelisken auf dem St. Gothard-Hügel in seiner Heimatstadt Hořice, der an den berühmten Politiker F. L. Rieger erinnert. Der 12 Meter hohe Sandsteinmonolith befindet sich seit der oben genannten Ausstellung in der Stadt, erhielt jedoch erst 1907 seine endgültig Gestalt. Weinzettl engagierte sich im Komitee für die Erhaltung der Denkmäler des Krieges von 1866, was ihn zu zahlreichen Realisierungen von Militärdenkmälern und Grabskulpturen im Bereich der Schlachten des preußisch-österreichischen Krieges bei Hradec Králové führte. Das erste Projekt war ein bereits 1893 errichtetes historisches Denkmal in Chlum, die sogenannte „Batterie der Toten“ in Form einer massiven Säule. Darauf befindet sich eine Statue der Austria, die ein Schild mit dem österreichischen Adler und einen Lorbeerkranz in den Händen hält. Weinzettls weitere Denkmäler für Schlachten stehen in Horní Přím, Čistěv und Probluz. Der Höhepunkt seiner Arbeiten in diesem Themenbereich ist zweifellos das Ossarium mit dem Friedhof der Gefallenen in der Nähe von Kbelnice bei Jičín. Es stammt aus dem Jahr 1906 und seine Fassade wurde im Jugendstil gestaltet, in einer Symbolik, die damals von Otto Wagner in Wien oder Josef Fanta in Böhmen entwickelt wurde. Unter Weinzettls Kriegsdenkmälern sticht noch jenes in Křečhoř bei Kolín hervor, das zu Ehren der wichtigen Schlacht errichtet wurde, die hier 1757 im Rahmen des sogenannten Siebenjährigen Krieges stattfand.
Zwischen 1903 und 1904 arbeitete er an dem Projekt für eine neue Synagoge in Hradec Králové, die im Jahr 1905 fertiggestellt wurde. Sie steht auf einer Parzelle mit einer stumpfen Ecke, woraus sich die asymmetrische Disposition mit dem Eingang von der kürzeren Seite beeinflusste. Weinzettl wählte modische, orientalische Formen im ägyptisch-assyrischen Stil; die Gestaltung der Hauptfassade gleicht den Formen des Ossariums in Kbelnice. Dem Architekten gelang bei diesen beiden Bauten ein Überblick über die zeitgenössische Entwicklung der Architektur und die Fähigkeit, deren Prinzipien zumindest teilweise umzusetzen. Ähnlich war sein Vorgehen bei den Projekten aus der Zwischenkriegszeit, die durch „eine einfache und unverwechselbare Aufteilung der Formen gekennzeichnet sind, wobei die dekorativen Elemente hauptsächlich Symbole bleiben.“ [2]. 1929 ging Weinzettl in den Ruhestand und zog nach Prag, wo er im darauffolgenden Jahr starb.
MP
Anmerkungen:
[1] Václav Weinzettl, Víra v nové době, Praha 1924, s. 590–592
[2] Petr Gláser, Václav Weinzettl, architekt vojenských pomníků (1862–1930). In: Historie a vojenství, 2002, roč. 51, č. 4, s. 952)
1893
Batterie der Toten, Chlum
1898
Denkmal des 74. Regiments, Horní Přím
1898
Denkmal der Schlacht bei Kolín, Křečhoř
1902
Denkmal des 51. Regiments, Čistěves
1904
Denkmal des Sachsenkönigs Albert, Probluz
1905–1906
Gedenkstätte mit Ossarium, Kbelnice
1907
Rieger-Obelisk auf dem St.-Gotharda-Hügel, Hořice
1923
Denkmal für die Gefallenen im Ersten Weltkrieg, Kolín
1925–1926
Mausoleum der Familie Šlik, Veliš
1928
Grabstein für Ladislav Hofman, Brno, Ústřední hřbitov (Zentralfriedhof)
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Petr Gláser, Dílo architekta Václava Weinzettla (1862–1930) v kontextu doby. Diplomová práce, UJEP, Filozofická fakulta, Ústí nad Labem, 2012
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Petr Gláser, Václav Weinzettl, architekt vojenských pomníků (1862–1930), Historie a vojenství, 2002, roč. 51, č. 4, s. 935–955
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Petr Gláser, Vojenské pomníky a památníky architekta Václava Weinzettla. Přehled díla, Historie a vojenství, 2003, roč. 52, č. 1, s. 184–205
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Pavel Vlček (ed.), Encyklopedie architektů, stavitelů, zedníků a kameníků v Čechách, Praha 2004, s. 708
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Ladislav Zikmund-Lender, Struktura města v zeleni: Moderní architektura v Hradci Králové, Hradec Králové 2017, s. 32–43