Pavel Janák war Architekt, Designer und prominenter Theoretiker; seine Bauten und Ideen hatten grundlegenden Einfluss auf die Entwicklung der tschechischen Architektur. Er wurde am 12. März 1882 in Prag geboren. Ab 1899 studierte er Architektur und Bauingenieurwesen an der Tschechischen Technischen Universität in Prag bei Professor Josef Schulz und besuchte währenddessen auch das Atelier von Professor Josef Zítek an der Deutschen Technischen Universität in Prag. Ab seinem zweiten Studienjahr war er nach und nach in verschiedenen Baubüros beschäftigt (z. B. bei František Buldra, František Schlaffer oder Václav Roštlapil). Er engagierte sich auch im Verband der Architekturstudenten und im Denkmalschutzverein Klub Za starou Prahu. 1906 ging Janák nach Wien, um an der Kunstakademie zu studieren. Er war im Atelier von Otto Wagner, einem der Begründer der Wiener Moderne. Ein Jahr später unternahm der Architekt im Zuge eines Stipendiums eine Studienreise nach Italien. Nach seiner Rückkehr in die Heimatstadt Prag arbeitete Janák kurz mit seinem Freund Josef Gočár im Atelier von Jan Kotěra an einem Ladenpavillon für die Ausstellung der Handelskammer, die 1908 in Prag stattfand. Zu dieser Zeit gründete er zusammen mit František Kysela, Vratislav Hugo Brunner und Jaroslav Benda den Kunstgewerbeverein Artěl. Im Jahr 1909 erhielt Janák die Position des Architekten der Brückenabteilung der Baubehörde der Stadt Prag.[1]
Die Architektur der frühen Schaffensperiode von Janák war vom Wagnerismus und der tschechischen Moderne beeinflusst. Allmählich betrachtete er diese Genres kritisch, und es schien ihm, dass die Architektur zu rational ausfiel und keine künstlerische Disziplin mehr darstellte. Diese Meinung formulierte er in einem Aufsatz, der 1910 unter dem Titel Od moderní architektury k architektuře (dt. „Von der modernen Architektur zur Architektur“) veröffentlich wurde. Ein Jahr später erschien in der Zeitschrift Umělecký měsíčník der Artikel Hranol a pyramida (dt. „Prisma und Pyramide“), der daraufhin die theoretischen Grundlage für einen neuen Stil bildete: den architektonischen Kubismus. Inspiration hierfür fand Janák vor allem in der Kunst von Picasso, in kristallinen Formen, die in der Natur vorkommen und in der Architektur der Spätgotik sowie der barocken Gotik von Santini.[2] Der Architekt Josef Gočár war neben Janák einer der wichtigsten Vertreter dieses Stils – Janák und Gočár gründeten 1912 die Firma Pražské umělecké dílny (dt. „Prager Kunstwerkstätten“) , die sich vor allem der Herstellung von kubistischem Kunsthandwerk widmete). Auch weitere tschechische Architekten, die in diesem Stil arbeiteten, waren Josef Chochol und Vlastislav Hofman. Das erste realisierte kubistische Gebäude war das von Janák entworfene Jakubec-Haus in Jičín. Ein wichtiger Punkt in der Arbeit des Architekten war jedoch die Anwendung kubistischer Details bei älteren Denkmälern. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Anpassung der Barockfassade des Fára-Hauses in Pelhřimov aus den Jahren 1913–1914.
Der architektonische Kubismus konnte sich trotz der Bemühungen seiner Vertreter weder in der Tschechischen Republik noch im Ausland durchsetzen.[3] Seine Entwicklung wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, zu dem sich auch Janák verpflichten musste. Nach dem Krieg wurde der Kubismus durch den von der Volkskunst inspirierten Nationalstil bzw. Rondokubismus abgelöst. Pavel Janák war einer seiner Förderer; in seinen Entwürfen sind die Elemente dieses Stils ab 1916 zu finden, im selben Jahr erschien auch sein Manifest Barvu průčelím! (dt. „Farbe auf die Fassaden!“). Ein charakteristisches Bauwerk dieser Etappe ist das Krematorium in Pardubice, an dessen Fassade die geschwungenen und farbenfrohen plastischen Motive in Form von Volksornamenten stilisiert sind, oder das Prager Palais Adria (Palác Adria), das von der italienischen Renaissance-Architektur inspiriert wurde.[4]
Später entwickelte sich Janáks architektonische Ausrichtung weiter und nahm Züge der Avantgarde an (gegen die er sich zunächst, Anfang der 1920er Jahre, noch lautstark ausgesprochen hatte). Sichtbar wird diese Entwicklung in seinen städtebaulichen Entwürfen. Von 1923 bis 1929 war er Mitglied der staatlichen Regulierungskommission, die die Stadtentwicklung von Prag leitete. Er ist der Autor des Bauplans für die Entwicklung des Viertels Pankrác, für das er ein System der Reihenbebauung mit wirtschaftlichen und hygienischen Vorteilen vorschlug. Janák entwarf auch das städtebauliche Konzept für das Stadtviertel Letná oder die neu errichtete Siedlung Baba, wo er drei Gebäude realisierte, darunter sein eigenes Wohnhaus an der Adresse Nad Paťankou. Das Haus gehört zu den gelungensten funktionalistischen Gebäuden Janáks, zusammen mit dem Hotel Juliš am Prager Wenzelsplatz (vermutlich inspiriert von Fuchs‘ Hotel Avion in Brünn inspiriert wurde), dem Familienhaus des Bildhauers Josef Mařatka aus dem Jahr 1933 und insbesondere der Gemeinde der Hussitischen Kirche im Prager Stadtteil Vinohrady.
Seit der zweiten Hälfte der 1930er Jahre verlagerte sich Janáks Tätigkeit mehr in den Bereich der Restaurierung von Denkmälern, der er sich praktisch und theoretisch widmete. Zu Beginn seiner Tätigkeit entstanden Umbauten des Palais Czernin, die er 1928–34 gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekten Otto Fierlinger durchführte. 1936 baute Janák das Alte Rathaus um und wurde Architekt der Prager Burg. Seine ersten Umbauarbeiten erhielt er jedoch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Seit 1948 baute er das Sommerschloss Stern (Letohrádek Hvězda) für die Bedürfnisse des Jirásek-Museums um und plante anschließend den Umbau der Reithalle in der Prager Burg zur Ausstellungshalle, wofür er 1952 den Staatspreis erhielt. 1950 wurde, ebenfalls nach Janáks Entwürfen, das Gebäude des Ballhauses der Prager Burg umgebaut. Eine seiner jüngsten Arbeiten war die Adaption des Sommerpalais im Prager Baumgarten (Stromovka). Janák war nicht nur Architekt und Theoretiker, sondern auch Lehrer – seit 1921 leitete er das Atelier für Architektur an der Hochschule für Kunstgewerbe in Prag. Zusammen mit seinen Studierenden unternahm er viele Exkursionen ins Ausland und viele davon wurden später zu prominenten Architekten. Pavel Janák starb am 1. August 1956 in Prag.
LV
Anmerkungen:
[1] In dieser Funktion realisierte der Architekt im Jahr 1910 die Hlávka-Brücke (Hlávkův most) in Prag; die erste Brücke mit reiner Betonkonstruktion auf tschechischem Gebiet.
[2] Als grundlegende formale Ausdrucksmittel der kubistischen Architektur gelten die Pyramide, der Kristall, schräge Formen und das sog. Fassadenprinzip, also der Versuch, bestimmte Teile des Bauwerks frontal – gegen den Betrachter gerichtet – zu versetzen.
[3] Obwohl die deutsche Expressionisten in den 1920er Jahren gewissermaßen daran anknüpften.
[4] Auch der tschechoslowakische Pavillon für die Weltausstellung in Rio de Janeiro 1922 wurde nach einem Entwurf von Pavel Janák im nationalen Stil errichtet.