Der Architekt Bohumil Sláma gehört zu den bedeutenden Vertreter der tschechischen Architektur der Moderne. Durch Realisierungen und Wettbewerbsentwürfe öffentlicher Gebäude schrieb sich Sláma in die Architekturgeschichte einiger ländlicher Städte ein. Er studierte 1905–1911 Architektur an der Prager Technischen Universität. Gegen Ende seines Studiums machte er die Bekanntschaft von Bedřich Feuerstein und Antonín Raymond, Mitglieder des neu gegründeten Studierendenvereins aller Hörer der Architektur, der eine Reform des Architekturunterrichts durchsetzte und sich an der progressiveren, konkurrierenden Hochschule für Kunst, Architektur und Design orientierte, die damals der Architekt Kotěra leitete. Bedřich Feuerstein und Antonín Raymond wurden Slámas Freunde und Kollegen, sie inspirierten ihn bei seiner Arbeit. Sláma begann kurz vor dem Ersten Weltkrieg auch an der Technischen Universität zu unterrichten, so wurden seine jüngeren Kollegen auch zu seinen Schülern. [1]
Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs präsentierte sich Sláma der architektonischen Szene mit dem Entwurf eines Salons, den er in der Zeitschrift Architektonický obzor publizierte. [2] In den Jahren 1915–16 nahm er an einigen Wettbewerben teil: für ein Hotel und ein Versicherungsgebäude in Mnihovo Hradiště, für eine Schule in Radvanice, ein Waisenhaus in Prag-Krč und eine Schule in Prag-Smíchov.
Bohumil Sláma widmete sich auch der publizistischen Tätigkeit, gelegentlich war er für die Zeitschrift Architektonický obzor und andere Periodika tätig. Im Architektonický obzor erschien beispielsweise im letzten Jahrgang 1918 der Text K otázce druhého českého divadla v Praze (dt. „Zur Frage eines zweiten tschechischen Theaters in Prag“). [3] Sláma schrieb darin: „Meiner Meinung nach soll das Nationaltheater oder Veränderungen kleineren Opern und erzählenden Schauspielen überlassen werden. Für größere Opern mit besonderen Gästen, für Smetanas Zyklus u. ä. sollte ein neues Operngebäude gebaut werden, verbunden mit einem kleineren, intimen Theater.“ Die Stadtviertel Dejvice und Vinohrady lagen Slámas Ansicht nach zu weit vom Zentrum entfernt, obwohl er ihnen eine bedeutende Entwicklung in den darauffolgenden Jahren vorhersagte – sie würden „zum neuen Zentrum des Großstadtlebens“ werden. [4] Er stellte die Forderung, eine Parzelle im Zentrum auszuwählen, arbeitete selbst einen Entwurf für die Platzierung des Theaters aus (es sollte sich an der Ecke der Straßen Lazarska und Jungmannova befinden, wo später das Palais der Bergbau- und Hüttengesellschaft entstand, entworfen vom Architekten Josef Říha.
Anfang der 1920er Jahre widmete sich Sláma der Architektur von Wohnhäusern, nach 1920 plante er Häuser im Prager Stadtviertel Ořechovka, sein eigenes Haus im Stadtviertel Bubeneč (Konskriptionsnr. 424) bzw. Mietshäuser in Vinohrady (Konskriptionsnr. 1736–1739). Im Jahr 1922 arbeitete er zusammen mit Bedřich Feuerstein den Entwurf eines puristischen Krematoriums in Nymburk aus, das zu einem von Slámas bedeutendsten Gebäuden wurde. Die Neuartigkeit stereometrischer Grundvolumen – rechteckige Grundrisse und massive Zylinder und Halbzylinder – und die glatten Oberflächen der Fassade verzichten nicht auf die Proportionen und räumlichen Beziehungen der klassischen Tradition.
Laut der Architekturhistorikerin Helena Čapková zeugte dieses Projekt von Feuerstein und Sláma von einer breiten internationalen Perspektive: „Das Krematorium interpretiert die neoklassizistische Aufklärungsarchitektur der französischen Architekten Étienne-Louise Boullée und Claude-Nicolas Ledoux, die sich am russischen Konstruktivismus orientieren.“ Gleichzeitig werde auch die „östliche“ Tradition berücksichtigt, so Čapková. Feuerstein und Sláma hätten der zeitgenössischen Diskussion über die Beziehung zwischen „westlicher“ und „östlicher“ Architektur nicht entkommen können: „In der Zwischenkriegszeit herrschte die Meinung, dass die Verflechtung der Säulen japanischer buddhistischer Tempel, nämlich der Horjuji-Tempel, ein Muster in der klassischen Architektur des antiken Griechenland hatte.“ [5]
Die Wende der 1920er und 1930er Jahre bedeutete für Sláma die Realisierung einer Reihe bedeutender öffentlicher Gebäude. Seine Vertrautheit mit aktuellen Trends der avantgardistischen Architektur und dem Typ eines multifunktionalen großstädtischen Palais stellte Sláma mit dem Projekt des Pfadfinderpalais in der Prager Neustadt (Konskriptionsnr. 674) unter Beweis. Es folgte die Realisierung der Herz-Jesu-Kirche (auch bekannt als Kirche des Göttlichen Herzens des Herrn) in Hradec Králové, die in ihrem Konzept den konstruktivistischen Prinzipien von August Perret nahe kommt. Zur selben Zeit wurde das Postgebäude in Kladno und das Palais des Tschechoslowakischen Rundfunk in Prag-Vinohrady gebaut (Konskriptionsnr. 1409), das über Bandfenster und ein zurückversetztes fünftes Stockwerk verfügt. Sláma entwarf noch weitere Postgebäude – eines in Prag-Vršovice und in Prag-Střešovice. Daneben entstanden auch Entwürfe für Schulgebäude: in Náchod, Dobřany, Králíky und in Rožnov bei České Budějovice. [6]
Im Jahr 1948 gründete Bohumil Sláma zusammen mit Ladislav Machoň, Čeněk Mužík und Jan Rejchl die ostböhmische Organisation für staatliche Architektur, woraus später das staatliche Bauunternehmen Stavoprojekt wurde. Er beteiligte sich an der Projektierung größerer Infrastruktur- und Landschaftspläne, kurz nach 1949 ging er schließlich in den Ruhestand. [7]
LZL
Anmerkungen:
[1] Vgl. Čapková, Helena: Bedřich Feuerstein - Cesta do nejvýtvarnější země světa. 2014, S. 19–20
[2] Architektonický obzor, 1914, Jg. XIII, Nr. 10, S. 60, vgl. auch Vlček, Pavel (Hg.): Encyklopedie architektů, stavitelů, zedníků a kameníků v Čechách, Praha 2004, S. 603
[3] Architektonický obzor, 1918, Jg. XVII, Nr. 6, S. 55–56
[4] Architektonický obzor, 1918, Jg. XVII, Nr. 6, S. 55–56, Zit. S. 56
[5] Čapková, Helena: Bedřich Feuerstein - Cesta do nejvýtvarnější země světa, 2014, S. 29
[6] Vgl. Vlček, Pavel (Hg.): Encyklopedie architektů, stavitelů, zedníků a kameníků v Čechách. Praha 2004, S. 603
[7] Vgl. Zikmund-Lender, Ladislav: Urbanismus a architektura XX. století. In: Hradec Králové: Kultura, Lidé, Dějiny, Praha 2017, S. 715
čp. (číslo popisné) – Konskriptionsnummer, ein während der Monarchie eingeführtes System der Nummerierung von Gebäuden (im Unterschied zur Orientierungs- bzw. Hausnummer)
1920–1921
Einfamilienhaus in Prag-Bubeneč, Českomalínská čp. 424
Wohnhaus in Prag-Nové Město, Petrská, čp. 1177
1922
Mietshaus in Prag-Bubeneč, Puškinova čp. 494
1922–1923
Rodinné řadové domy v Praze-Střešovicích, Sibeliova, Střešovická a Nad hradním vodojemem, čp. 461–466
1922–1924
Krematorium in Nymburk (zus. mit Bedřich Feuerstein)
1921–1922
Mietshaus in Prag-Vinohrady, Slezská, čp. 1736–1739 (zus. mit Václav Vejrych a Jaroslav Pelc)
1928–1929
Pfadfinderpalais in Prag-Nové Město, Vodičkova čp. 674
1928–1932
Herz-Jesu-Kirche in Hradec Králové, na Pražském Předměstí
1928–1930
Postamt in Kladno
1929–1932
Gebäude des Tschechoslowakischen Rundfunks in Prag-Vinohrady, Vinohradská, čp. 1409
1929–1933
Postamt in Prag-Střešovice, Parléřova čp. 681
1937–1942
Postamt in Prag-Vršovice, Sportovní čp. 864
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Architektonický obzor, 1914, roč. XIII, č. 10, s. 60
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Architektonický obzor, 1918, roč. XVII, č. 6, s. 55–56
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Vlček, Pavel (ed.), Encyklopedie architektů, stavitelů, zedníků a kameníků v Čechách, Praha 2004, s. 603
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Čapková, Helena, Bedřich Feuerstein - Cesta do nejvýtvarnější země světa, 2014